Paul Natorp – Der Philosoph als Komponist

03.09.2015 von Corinna Bertz in Varia
Am 30. Mai 1920 wurden Kompositionen des Philosophen Paul Natorp, Mitbegründer des damals auch in Halle prominent vertretenen Neukantianismus’, erstmals in der Aula der Uni Halle aufgeführt. Sein zahlreiches Publikum, allesamt Mitglieder der Kant-Gesellschaft, war begeistert. Knapp ein Jahrhundert später hat Jürgen Stolzenberg, Begründer der Reihe aula konzerte halle und Philosophieprofessor im Ruhestand, Natorps Werke in die Aula zurückgeholt. Preisgekrönte Musiker haben Stücke des komponierenden Philosophen im Löwengebäude eingespielt. Die Aufnahmen sind jetzt als Doppel-CD veröffentlicht worden.
Paul Natorp
Paul Natorp (Foto: Wikimedia Commons)

Die bislang unveröffentlichten und unbekannt gebliebenen musikalischen Werke Paul Natorps (1854-1924) hat Jürgen Stolzenberg im Westfälischen Musikarchiv in Hagen entdeckt. Das Interesse des Kant-Experten, der auch im Bereich der Musikphilosophie geforscht hat, war geweckt. Er nahm Kontakt zu Natorps Nachkommen auf und begann, die Geschichte des komponierenden Philosophen intensiver zu recherchieren. Der junge Natorp hatte für einige Zeit Komposition in Straßburg bei Gustav Jacobsthal studiert und verehrte Johannes Brahms.

Selbstbewusst sandte er seinem Vorbild einige Kompositionen zu. Der bisher unbekannte Brief von Johannes Brahms fand sich überraschend im Privatbesitz einer Enkelin Natorps. Brahms riet Natorp von einer musikalischen Laufbahn ab. Der bewegende Antwortbrief des jungen Komponisten hat sich zusammen mit zwei Klavierstücken, die auf der CD zu hören sind, im Brahms-Archiv in Wien erhalten. „Paul Natorp konzentrierte sich daraufhin auf die Philosophie“, berichtet Stolzenberg, „seine Leidenschaft für die Musik ließ den Philosophen aber bis in seine letzten Lebensjahre nicht los“.

Rund 100 Lieder und Liederzyklen, einige Chorwerke und Klavierstücke, vor allem aber Kammermusikwerke haben sich im musikalischen Nachlass erhalten. Einige davon, darunter auch mehrere der damals in Halle aufgeführten Werke, sind jetzt auf einer Doppel-CD zu hören, für die Stolzenberg renommierte Musiker aus Deutschland und Russland engagierte. Sie spielten 2010 und 2011 Klavierwerke und Kammermusikstücke in Moskau und in der Aula im Löwengebäude ein – dort also, wo Paul Natorp 1920 zunächst im Rahmen der Generalversammlung der Kant-Gesellschaft einen viel beachteten Vortrag über seine Philosophie gehalten hatte, und wo in einem abschließenden Festkonzert „der Komponist von den versammelten Gelehrten stürmisch gefeiert“ worden war – wie die Presse tags darauf berichtete.

Cover der CD mit Natorps Werken
Cover der CD mit Natorps Werken

Die bisher unbekannten Werke Natorps zeichnen sich in ihrem spätromantischen Stil durch ein erstaunlich hohes künstlerisches Niveau aus, so Jürgen Stolzenberg: „Man staunt über die Leistung, die der Komponist Natorp vollbracht hat.“ Die CD bietet zweieinhalb Stunden Einblick in Paul Natorps musikalisches Schaffen sowie Begleittexte und Dokumente zum musikalischen Werk und zur Biographie des Philosophen. Die CD kann zu einem Preis von 20 Euro (inklusive Versand und Porto) per E-Mail an juergen.stolzenberg@gmail.com direkt bezogen werden. 

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