Was haben Vögel und Flüsse mit Euroscheinen zu tun?
„Zuerst dachte ich, die E-Mail ist ein Scam-Versuch“, sagt Henrique Pereira und lacht. Die Rede ist von einer Nachricht der Europäischen Zentralbank. Mit Geld und Finanzen kennt er sich nur am Rande aus: Als Ökologe forscht Pereira zur Artenvielfalt und erarbeitet regelmäßig Vorschläge für die europäische Naturschutzpolitik. Der Hintergrund der Nachricht war jedoch ein anderer: Die Europäische Zentralbank hat beschlossen, dass die Euro-Banknoten nach 20 Jahren neugestaltet werden sollen. Sicherer und nachhaltiger sollen die Scheine sein - und ein frisches Design bekommen. „Die neuen Motive sollen alle Europäerinnen und Europäer ansprechen“, erklärt Pereira. Und hier kommt die E-Mail wieder ins Spiel: Als einen von vierzehn Expertinnen und Experten aus Europa lud ihn die EZB ein, in einer Beratungsgruppe aus Wissenschaft, Kunst, Geschichte, Kultur und Design mitzuwirken. Sie soll Motivvorschläge für die Neugestaltung erarbeiten. Der EZB-Rat wählte dafür bereits im Vorfeld zwei mögliche Themen für die neuen Scheine aus: „Europäische Kultur“ und „Flüsse und Vögel“.
„Als Biodiversitäts-Forscher suchen wir ständig nach neuen Mitteln, das Thema Artenvielfalt in die breite Bevölkerung zu tragen. Die Neugestaltung der EU-Banknoten ist hier eine riesengroße Chance“, sagt Pereira, der an der MLU und dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig tätig ist. Das Thema „Flüsse und Vögel“ sei gut gewählt: Immerhin überschreiten Flüsse Grenzen und Vögel stehen dem Portugieser zufolge gleich aus mehreren Gründen sinnbildlich für Europa: „Ein zentraler europäischer Wert ist die Bewegungsfreiheit, die Vögel ganz selbstverständlich für sich beanspruchen. Außerdem gehört die europäische Vogelschutzrichtlinie zu den ältesten Rechtsvorschriften zum Naturschutz, sie wurde 1979 verabschiedet.“ Die Arbeit in der Gruppe sei für ihn als Forscher eine besondere Erfahrung. „Vorher habe ich mit nicht wirklich mit diesem Thema beschäftigt. Jetzt weiß ich, dass zum Beispiel Argentinien ganz wunderbare Tierillustrationen auf seinen Geldscheinen hat.“ Ähnliches könne er sich auch gut für die Euronoten vorstellen.
Wie die Arbeit des Beratungsgremium im Detail aussieht und über welche Motivideen diskutiert wird, ist streng vertraulich. Die Arbeit läuft noch bis Ende des Jahres. Danach entscheidet der EZB-Rat, welcher Vorschlag in einem Designwettbewerb weiterverfolgt werden soll. Voraussichtlich 2026 erfolgt dann die finale Entscheidung des EZB-Rats über das Design der neuen Geldscheine. Pereira: „Mein Ziel ist es, dass jede Europäerin und jeder Europäer ein Stück Artenvielfalt im Portemonnaie dabei hat.“