Diskussion zur „Wehrhaften Demokratie“: Projektwoche endet

07.06.2024 von Katrin Löwe in Campus
Wie groß sind die Herausforderungen für die deutsche Gesellschaft, die sich aus Populismus und Rechtsextremismus ergeben? Welche Instrumente gibt es für den Umgang damit? Darüber wurde am Donnerstagabend auf einer Podiumsdiskussion im Audimax debattiert. Sie war einer der Höhepunkte der Projektwoche „Wehrhafte Demokratie“ an der Universität, die heute endet.
An der Podiumsdiskussion nahmen teil: Peter Neumann, Johannes Varwick, Hilmar Steffen und Paula Diehl. (von links)
An der Podiumsdiskussion nahmen teil: Peter Neumann, Johannes Varwick, Hilmar Steffen und Paula Diehl. (von links) (Foto: Markus Scholz)

Eine ganz besondere Frage hatte sich der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Johannes Varwick bis zum Ende des Abends aufgehoben: Wann ist der Punkt gekommen, an dem man über ein AfD-Verbot nachdenken müsste? Das sei eine schwierige Frage, sagte Prof. Dr. Paula Diehl (Universität Kiel) und erinnerte an das gescheiterte NPD-Verbotsverfahren. „Ein Scheitern wäre ein Riesendrama.“ Auch Prof. Dr. Peter Neumann (King's College London) warnte: Ein Verbotsverfahren dauere lange und die AfD würde mit dem Thema hausieren gehen – zu ihrem Vorteil. Und selbst wenn es ein Verbot gebe, hieße das nicht, dass sich nicht innerhalb kurzer Zeit eine AfD-ähnliche Partei bilden werde.

Mit beiden Wissenschaftlern hatten sich die Organisatoren des Abends unter dem Thema „Wehrhafte Demokratie, Populismus und Rechtsextremismus“ ausgewiesene Experten auf dem Gebiet von Extremismus und Populismus eingeladen: Diehl hat in Kiel die Professur für Politische Theorie, Ideengeschichte und Politische Kultur inne und ist Leiterin des Internationalen Netzwerks für Populismusforschung. Neumann ist Professor für Sicherheitsstudien am King’s College London und leitete das International Centre for the Study of Radicalisation. Vervollständigt wurde das Podium durch Dr. Hilmar Steffen, Referatsleiter im Innenministerium und stellvertretender Leiter des sachsen-anhaltischen Verfassungsschutzes. Die Verfassungsschützer hatten die AfD im Land Ende 2023 als gesichert rechtsextrem eingestuft – mit Fragen dazu hat die Podiumsdiskussion am Donnerstagabend im Audimax auch begonnen. Unter anderem mit der, warum die Partei von vielen dennoch als „normal“ angesehen werde. Das Gros ihrer Wähler nehme die Einstufung nicht zur Kenntnis oder es setze eine Trotzhaltung ein, so Steffens Urteil.

Diehl sprach im Anschluss zum Beispiel über Populismus und die Aufmerksamkeit, die Rechtspopulismus in den Massenmedien erfährt, Neumann über Mechanismen von Rechtsextremismus in den vergangenen 200 Jahren. Demokratie funktioniere nur, wenn die meisten Menschen dahinterstehen, sagte er. Und: Er mache sich keine Sorgen um Deutschland insgesamt, weil er glaube, dass es den Grundkonsens zu Demokratie und Verfassung nach wie vor gibt. „Aber ich mache mir Sorgen um verschiedene Bundesländer.“ Konkret nannte er Thüringen und Sachsen. Widerspruch erntete er damit bei Paula Diehl: „Ich mache mir Sorgen um Deutschland und auch um Europa.“

Gemeinsam mit dem Publikum diskutierten die Podiumsmitglieder unter anderem über eine Verschiebung von Normen, über Populismus, dessen sich auch andere Parteien bedienen, über die Nutzung von Begriffen wie „Brandmauer“ oder den Einfluss von sozialen Medien. Und darüber, was sie der Politik empfehlen würden: Mehr Investitionen in politische Bildung, regte Verfassungsschützer Steffen etwa an. Mehr Mühe beim Zuhören, sagte Neumann. Er hatte zuvor bereits mehr Ehrlichkeit gefordert: Die demokratische Rechte müsse einräumen, dass Migration nötig ist, um Probleme wie den Fachkräftemangel zu lösen. Und die Linke, dass Kontrolle und Steuerung nötig sind in einer Weise, die den Konsens zu Migration nicht zerstört.

Ein Fazit der gesamten Woche hatten die Veranstalter schon vor dem eigentlichen Beginn der Podiumsdiskussion gezogen. Initiiert und maßgeblich getragen wurde die Projektwoche an der MLU vom Institut für Politikwissenschaft. Die Hochschulen im Land Sachsen-Anhalt beteiligten sich mit weiteren Veranstaltungen an der Projektwoche. Insgesamt gab es mehr als 40 Veranstaltungen an der Uni Halle. Sie sei beeindruckt von deren breitem Spektrum, sagte die Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Petra Dobner. Es reichte vom Spieleabend bis hin zum Blick in die Zukunft: Wie würde Deutschland mit einer AfD an der Macht umgestaltet? Es habe gutgetan, sich eine Woche mit dem Thema zu beschäftigen. Dazu gehörte auch, so Dobner, sich gegenseitig zu versichern: „Wir sind immer noch die Mehrheit.“ Man wolle das Erfolgskonzept der Projektwoche fortsetzen, ergänzte Prof. Dr. Andreas Petrik, stellvertretender Direktor des Instituts für Politikwissenschaft. Das Angebot habe auch Menschen außerhalb des akademischen Spektrums angesprochen, das habe Lust auf mehr gemacht.

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