Prüfungsrelevant: Der unbesetzte Uni-Löwe
In nahezu jeder Unistadt kursieren ähnliche ungeschriebene Gesetze, die von Generation zu Generation weitergegeben werden: In Bologna vermeiden es die Studenten offenbar bereits seit Jahrhunderten, quer über den großen zentralen Platz, den Piazza Maggiore, zu laufen. Wie von einer unsichtbaren Hand geleitet, laufen sie stets nur an den angrenzenden Straßen entlang. In Jena wagt sich der akademische Nachwuchs nicht durch das Johannistor. Und in Gießen weicht er einem Denkmal aus, das „der ewige Student“ genannt wird.
Praktischer scheint da ein Löwe, der ohnehin nicht zum Zweck des Aufsitzens erschaffen wurde. Im Jahr 1832 hatte die Stadt Halle die beiden Tiere erworben und am halleschen Marktbrunnen aufgestellt. Schon damals nutzten die Studenten die Löwen für einen Streich: „Vor der Aufnahme in eine Studentenverbindung mussten die Neuen darum wetteifern, wer als Erster auf den Löwen sitzt. Der eigentliche Sinn der Sache war, dass dabei möglichst viele ins Wasser stürzen“, erzählt Dr. Ralf-Torsten Speler, Uni-Kustos im Ruhestand, der intensiv zu den studentischen Bräuchen in Halle recherchiert hat.
Auch seien die Studenten gern nachts auf den Löwen geritten. Mit Misserfolgen im Studium schien das Aufsitzen damals noch nicht verbunden zu sein. 1868 machte die Stadt, die den Brunnen loswerden wollte, die Löwen der Universität zum Geschenk. „Allerdings unter der Bedingung, dass die Uni den Brunnen entsorgt und die Löwen abtransportiert“, berichtet der Kunsthistoriker. Das lehnte der Akademische Senat ab, die Stadt lenkte ein und stellte die beiden Tiere selbst vor dem Hauptgebäude auf.
Dort wurden sie schnell von den Studenten adoptiert: Als Namensgeber für das Löwengebäude sowie als imposantes und praktisches Wahrzeichen der Universität, mit dem man sich selbst in Szene setzen konnte: „Wenn die Studenten eine Prüfung bestanden hatten, ließen sie sich auf oder vor den Löwen fotografieren“, so Speler. Seitdem darf nur wer bestanden hat, dem König der Tiere nahe kommen.