"Die Folgen wären verheerend"
Herr Professor Sträter, wie war Ihre erste Reaktion auf die Entlassung von Wissenschafts- und Wirtschaftsministerin Frau Wolff?
Ich habe Freitagmittag davon erfahren und war völlig überrascht. Dass eine so plötzliche Entlassung erfolgt, gerade als sich Rektoren und Landesregierung geeinigt hatten, wie das weitere Vorgehen gemeinsam besprochen werden soll, ist ein richtiger Schlag. Die zuständige Fachministerin – unsere Gesprächspartnerin – wurde entlassen. Das ist natürlich sehr negativ bewertet worden. Ihr Nachfolger ist jemand, der mit Wissenschaftspolitik bisher noch nicht beschäftigt war.
Was bedeutet die Entlassung und der personelle Wechsel für die Kommunikation zwischen Hochschulen und Land?
Wir müssen abwarten, wie sich das Gesprächsklima mit dem neuen Minister darstellt. Meine erste Interpretation war, dass man jetzt gar nicht mehr gemeinsam über Strukturfragen reden will, sondern dass es nur noch um die Umsetzung der Sparbeschlüsse geht.
Zuletzt stand vor allem das Universitätsklinikum Halle im Fokus der Debatte. Frau Wolff hatte in einem Interview gesagt, dass es eine berechtigte Frage sei, ob sich das Land zwei voll ausgestattete Universitätskliniken leisten kann. Ist eine Schließung der Uniklinik Halle für Sie vorstellbar?
Nein, eine Schließung ist für mich nicht vorstellbar. In der letzten Woche sind zwei Diskussionen zusammengelaufen und haben die Wellen doppelt hoch schlagen lassen. Das eine ist die Wissenschaftsratsbegehung, die bereits 2009 angekündigt wurde, als der Wissenschaftsrat zum ersten Mal die Hochschulmedizin begutachtete. Hier gab es bestimmte Auflagen an die Hochschulmedizin in Halle und die Ankündigung einer erneuten Begehung 2013, um zu sehen, inwieweit diese Empfehlungen umgesetzt worden sind. Dies ist nun mitten in die laufende Spardiskussion hineingeraten und deshalb von vielen auch unmittelbar auf die Spardebatte bezogen worden.
Sie haben die Mitglieder des Wissenschaftsrats vergangene Woche begleitet. War die aktuelle politische Diskussion ein Thema?
Der Wissenschaftsrat will keine politische Diskussion führen. Er ist ein wissenschaftliches Beratungsgremium. In den Gesprächen ging es um die Qualität der Universitätsmedizin in Halle. Die Mitglieder der Kommission waren aufs Höchste irritiert, dass sie nun in einen solchen politischen Zusammenhang gebracht worden sind.
Wie ist der Besuch verlaufen?
Es ist auf jeden Fall der Eindruck entstanden, dass sich hier viel getan hat. Mehr konnten die Mitglieder nicht sagen. Wir erwarten das Gutachten – ähnlich wie das Gutachten der Gesamtbegehung – im Sommer dieses Jahres.
Zu den Kürzungsplänen im gesamten Hochschulbereich soll es einen moderierten Dialog zwischen Land und Hochschulen geben. Wird der jetzt mit dem neuen Wissenschafts- und Wirtschaftsminister Herrn Möllring stattfinden?
Wir müssen das Verfahren und den Terminplan noch einmal neu abstimmen. Der erste Termin war am kommenden Montag, dem 29. April, angesetzt. Wir Rektoren halten es aber für sinnvoll, erst einmal den neuen Minister kennenzulernen. Am Donnerstag wird sich die Landesrektorenkonferenz dazu abstimmen.
Welche Position vertreten die Rektoren in diesem Dialog?
Die Landesrektorenkonferenz möchte bei dem ursprünglichen Verfahren bleiben: Die Profildebatte soll vor der Finanzdiskussion geführt werden. Das heißt zunächst: Abwarten, was der Wissenschaftsrat in seinem Gutachten zur Hochschullandschaft Sachsen-Anhalts sagt, daraus in Profil- und Strukturdiskussionen die Konsequenzen ziehen und dann über Finanzen reden. So steht es in den Zielvereinbarungen und so ist es bis vor kurzem auch von der Regierung bestätigt worden.
Eine lineare Kürzung, wie sie mit 5 Millionen Euro im Jahr ab 2015 angekündigt wurde, würde bedeuten, dass man ohne Strukturpläne jede freiwerdende Stelle streichen oder unbesetzt lassen muss. Das wäre eine Einsparung von Geld ohne Plan. Sie würde die bestehenden Strukturen völlig zerstören und die Hochschullandschaft in Sachsen-Anhalt kaputt machen.
Wie wollen sich die Rektoren dagegen wehren?
Wir können aufzeigen, welche Konsequenzen die linearen Kürzungen hätten. Man braucht nur die Professorenlisten nach Ausscheidedatum zu sortieren, um zu sehen, welche Institute das betrifft und welche verheerenden Folgen das haben wird.
Was passiert, wenn es bei diesem Dialog zwischen Regierung und Landesrektorenkonferenz nicht zu einer Einigung kommt?
Das ist völlig offen. Die Landesregierung sitzt natürlich am längeren Hebel. Da wir budgetierte Einrichtungen sind, kann sie diese Sparbeträge einfach vom Budget abziehen und den Hochschulen überlassen, wie sie damit umgehen. Wir wollen im Vorfeld die potenziellen Folgen klar benennen und denken, dass das auch politisch verantwortlich wahrgenommen wird.
Schon vor der aktuellen Kürzungsdebatte auf Landesebene gab es an der MLU das Ziel, das Haushaltsloch von sechs Millionen durch Einsparungen zu stopfen. Muss man jetzt an der MLU mit weiteren zusätzlichen Kürzungen rechnen?
Bei linearen Einsparungen wäre es in der Tat so, dass man diese zu den 6 Millionen dazurechnen müsste. Wir müssen schauen, ob wir aus den Profil- und Strukturplanungen heraus ein anderes Vorgehen entwickeln können.
Wie würde das aussehen?
Man muss zunächst einmal die Gesamtsumme definieren, aus der die Einsparungen nach Vorstellung der Regierung herausgenommen werden sollen. Sind das die Hochschulbudgets oder ist das der gesamte Wissenschaftsbereich? Am engsten würde es, wenn wirklich nur die Hochschulbudgets gemeint sind. Dann müsste man diese 50 Millionen von 317 Millionen abziehen, und dann wird es sehr eng.
Würden Sie bei solchen linearen Kürzungen mit Studierenden und Beschäftigten gemeinsam protestieren?
Dann würde uns nichts anderes übrig bleiben. Aber ich hoffe, dass wir im Vorfeld Vernunft in die Diskussion bringen können.
Am kommenden Samstag veranstaltet das Aktionsbündnis ein Vernetzungstreffen, zu dem alle Rektoren eingeladen wurden. Werden Sie hingehen?
Ja. Es werden auch einige andere Rektoren dabei sein. Auch diejenigen, die persönlich nicht kommen können, haben ihr Interesse signalisiert, sodass ich sie dort vertreten kann.
Was sagen Sie Studieninteressenten, die sich aufgrund der aktuellen Debatte unsicher sind, ob sie hier überhaupt studieren sollen?
Es sind keinerlei Studiengänge in Frage gestellt worden. Es ist richtig, dass diese Diskussion im Vorfeld und auch die Kritik, die von der Landesregierung an den eigenen Hochschulen geübt worden ist, viele Schwierigkeiten bereitet. Wir wollen nicht, dass die Hochschulen schlecht geredet werden. Der Betrieb läuft, und wir reden über mittel- und langfristige Entwicklungen.
Wie geht es an der MLU in den nächsten Monaten weiter?
Wir bereiten uns auf die Empfehlung des Wissenschaftsrats vor. Wir wollen ein Szenario entwerfen, mit dessen Hilfe wir sofort auf das Gutachten des Wissenschaftsrats reagieren können. Unsere Reaktion soll unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Gutachtens am 12. Juli möglicherweise in einer Senatssondersitzung behandelt werden. Zugleich arbeiten wir weiter an der Profilbildung der Universität. Wir definieren noch einmal die Kernbereiche und die Struktur, die daraus abzuleiten ist, und über die wird danach auch nicht verhandeln werden. Beides wird im Rektorat vorbereitet und in die Gremien mit Senatoren und Dekanen diskutiert. Ich hoffe, dass wir diesen Plan unabhängig von der Diskussion im Land einhalten können.
Die aktuelle Debatte um die Kürzungen im Hochschulbereich bewegt nicht nur Studierende und Beschäftigte, sondern auch viele Hallenser außerhalb der Universität. Welche Form der Unterstützung würden Sie sich hier wünschen?
Ich freue mich über dieses Engagement und die Unterstützung. Es ist allerhand auf dem Weg: Der Stadtrat beschäftigt sich heute mit diesen Fragen. Der Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft des Landtags hat sich auch schon damit auseinandergesetzt. Die Kuratoriumsvorsitzenden aller sieben Hochschulen des Landes haben eine gemeinsame Resolution verabschiedet. Ich denke, dass immer mehr Menschen klar wird, welche Bedeutung der Wissenschaftsstandort Sachsen-Anhalt – und konkret auch Halle – hat. Es geht hier nicht allein um Forschung und Lehre. Die Hochschulen wirken tief in die Wirtschaftsstrukturen des Landes hinein und dort entsteht ein neues Interesse an den Hochschulen, auch bei denen, die bislang wenig mit den Hochschulen zu tun hatten.
Bis zur Entlassung von Frau Wolff haben Sie sich zumindest öffentlich noch relativ zurückhaltend geäußert. Warum?
Wir wollen vernünftige Verhandlungen führen. Es kommt nicht darauf an, zum falschen Zeitpunkt Aktionen loszutreten, die dann verpuffen. Solange die Perspektive besteht, zu vernünftigen Gesprächen mit der Regierung zusammenzukommen, sollten wir das nutzen. Ich bin nach wie vor nicht ohne Hoffnung, dass das auch gelingen kann.