"Wir kommen nicht mit einem braven Papier"
Viele turbulente Ereignisse Momente fielen in Ihre erste Amtszeit. An welche Momente erinnern Sie sich gerne?
Udo Sträter: An all die Situationen, in denen Dinge besonders gut gelungen sind: Der Gewinn und die Verlängerung von Sonderforschungsbereichen, das gemeinsame Biodiversitätszentrum „iDiv“, die eingeworbenen Humboldt-Professuren, aber auch Erfolge in der Lehre, etwa die Möglichkeit, durch den „Qualitätspakt Lehre“ das Zentrum für Multimediales Lehren und Lernen einzuführen. Auch die Ernennung der MLU zu einer der zehn Gründerhochschulen war ein solcher Erfolg. Ich habe mich darüber gefreut, dass das Amt des Rektors nicht nur darin besteht, Probleme zu lösen.
Was war der schwierigste Moment in dieser Zeit?
Die schlimmste Situation war die des Jahres 2013, als alle Zeitplanungen aus dem Ruder gelaufen sind und wir mit den extremen Einsparforderungen des Landes konfrontiert wurden. Damit war klar, dass wir 2013 nicht wie geplant neue Zielvereinbarungen verhandeln können, sondern dass wir unsere Zeit zumeist auf öffentlichen Plätzen verbringen werden.
Ein großes Ziel von Ihnen war es, eine Profildiskussion mit der gesamten Universität zu führen. Konnte diese Profil- und Strukturdebatte stattfinden?
Sie konnte nicht so wie geplant stattfinden, weil diese Strukturdebatte nicht als Spar- und Abbaudebatte gedacht gewesen war. Durch die Sparforderungen ist die gesamte Diskussion in diesen Kontext geraten. Damit waren auch viele Möglichkeiten, über Profilbildungen zu diskutieren, verstellt.
In Ihrer Rede zur Kandidatur sagten Sie: „Ich habe noch nicht fertig“ – was genau wollen Sie beenden?
Ich würde jetzt gerne die Dinge machen, für die ich 2010 angetreten bin, und die durch die Ereignisse von 2013 erst einmal zurückgestellt werden mussten. Das heißt: Ich möchte eine vernünftige Profildebatte führen und mit dem Land die neuen Zielvereinbarungen für die Universität verhandeln. Ich gehe davon aus, dass sich dann die Rahmenbedingungen finanziell so gestalten, dass eine inhaltliche Profilbildung möglich ist.
Sie haben zu Beginn Ihrer Amtszeit viel von Konsens gesprochen, den Sie anstreben wollen. 2014 sagten Sie dann in einer Kandidatenrunde vor der Wahl, dass das Rektorat die Verantwortung übernehmen solle, wenn über Kürzungen entschieden werden muss. Hat sich Ihre Herangehensweise verändert?
Nein, ich denke, dass eine Profildebatte im Konsens geführt werden kann und muss. Wenn es aber um Kürzungen geht, liegt die Sache anders. Es ist klar, dass niemand für die Abschaffung seines eigenen Bereichs stimmen wird. Und es gibt die grundsätzliche Vorstellung, die viele Studierenden und auch der Personalrat vertreten: Dass Kürzungen überhaupt nicht nötig sind und dass man sich auf solche Diskussionen überhaupt nicht einlassen darf.
Wie könnte hier eine Lösung aussehen?
Das ist die schwierige Frage: Was macht man, wenn das Geld nicht reicht? Da für den Erhalt der gesamten Struktur nicht genug Geld da ist, wird über Schließungen gesprochen. Mehr Geld kann man nur bekommen, wenn der Bund mit massiver finanzieller Unterstützung einsteigt. Denn das Land hat klar gesagt: Mehr Geld gibt es auf keinen Fall. Also werden wir bestimmte Bereiche nicht mehr finanziell bedienen können. Eine Variante wäre, sich zu Schließungen zu entscheiden. Wenn die Universität das nicht tut, könnte sich das Land dazu veranlasst sehen, das durch einen Beschluss zu vollziehen. Allerdings müsste dieser vom Parlament gedeckt sein. Einen solchen Parlamentsbeschluss sehe ich noch nicht kommen.
Was ist über die Sommermonate im Rektorat passiert?
Es ist an allen Hochschulen im Sommer an den Hochschulentwicklungsplänen gearbeitet worden, natürlich mit Rückgriff auf ältere Entwürfe. Aber die Gesamtlage hat sich ein bisschen verändert. Wir sollten die Pläne ursprünglich auf der Grundlage eines vom Kabinett verabschiedeten Hochschulstrukturplans vorlegen. Dieser Plan ist aber vom Kabinett noch nicht verabschiedet worden. Es ist eher der Eindruck entstanden, dass dieser Plan erst dann ins Kabinett kommen soll, wenn die Entwicklungspläne der Hochschulen bereits vorliegen.
Im März hatte Wissenschaftsminister Möllring ein Konzept vorgelegt. Spielte dieses Papier bei der Arbeit am Hochschulentwicklungsplan eine Rolle?
Wir haben ja eine dynamische Entwicklung erlebt. Der Hochschulstrukturplan von Herrn Möllring nennt Institute, die geschlossen werden sollen, und teilweise fiktive Summen, die eingespart werden sollen. Ich sage fiktiv, denn wenn man nachrechnet, kommt man nicht auf diese Summen – bei weitem nicht! Die Schließung von Instituten bedeutet nicht, dass diese Institutsgelder sofort eingespart werden könnten. Studiengänge sind noch über Jahre aufrechtzuerhalten. An Stelle von Professuren, die nicht wiederbesetzt werden, wären Vertretungsprofessoren einzustellen. Für einige Bereiche haben sich bereits Interessenvertreter eingesetzt, die bis in die Regierung selbst hineinreichen. Im Bereich der Medien- und Kommunikationswissenschaften warten wir deshalb jetzt auf ein von der Staatskanzlei bestelltes Gutachten zu diesem Studienfach in Sachsen-Anhalt.
Auch andere Rahmenbedingungen haben sich geändert, zum Beispiel übernimmt der Bund nun die BaFög-Gelder, die bislang das Land an die Studierenden gezahlt hat. Was erwarten Sie jetzt vom Land?
Es sind jetzt dauerhaft Gelder freigesetzt worden, die den Ländern zur Verfügung stehen. Wir erwarten natürlich, dass diese Gelder – so wie es gedacht ist – den Hochschulen zu Gute kommen. Wir haben außerdem starke Anzeichen dafür, dass der Paragraf 91b des Grundgesetzes geändert wird. Er würde dem Bund die Mitwirkung an der Grundfinanzierung der Hochschulen ermöglichen. Wir erwarten Konzepte vom Bund, welcher Art diese Förderung sein könnte. Wir bereiten uns darauf vor, Bereiche in den kleinen Fächern so zurechtzuschneiden, dass man dem Bund ein Angebot machen kann, mit einer besonderen Förderung einzusteigen.
Im Hochschulentwicklungsplan des Rektorats gibt es dennoch einen Punkt zu Sparszenarien. Wurde dort mit den Sparvorgaben des Landes gerechnet?
Wir stellen dar, was passiert, wenn man diese oder jene Sparvorgaben des Hochschulstrukturpapiers des Landes umsetzt. Das betrifft die Institute, die darin genannt wurden. Unsere Zahlen sehen völlig anders aus und zeigen im Grunde, dass das, was im Hochschulstrukturplan steht, nicht richtig durchgerechnet ist. Wir berechnen außerdem die Kosten: Was verlieren wir eigentlich, wenn wir diese Sparvorgaben vollziehen? Das hat sich bislang kaum jemand richtig angeschaut.
Wieso unterscheiden sich Ihre Zahlen so stark von denen des Landes?
Die Zahlen, die das Ministerium verwendet, sind sehr abstrakt. Sie rechnen mit den Kosten pro Studienplatz. Das sind aber nicht die realen Werte. Wir rechnen in Gehältern, in Sachmitteln, Mieten, notwendigen Vertretungsprofessuren … Wir rechnen auch mit den Verlusten: Den Verlusten an Studierenden, die nicht mehr da sein werden, den Verlusten an Drittmitteleinwerbungen, die durch diese Institute bislang getätigt worden sind. Es ist schon jetzt deutlich, dass der Verlust an Drittmitteleinwerbungen höher ist als der Gewinn bei Einsparungen.
Wie und mit wem wurde der Hochschulentwicklungsplan erarbeitet?
Federführend sind die Prorektorin für Struktur und Finanzen und der Rektor. Natürlich haben alle beteiligten Bereiche zugearbeitet und Informationen geliefert. Die Daten kommen aus allen Teilen der Verwaltung und aus den Fakultäten.
Was können Sie uns zu den Inhalten des Plans sagen?
Die Inhalte sind ambivalent. Wir kommen nicht mit einem braven Papier, in dem steht ‚Folgende Institute werden geschlossen‘, sondern wir gehen auf den Strukturplan ein, stellen dar, was dort erwartet wird, und teilen unsere Gegenargumentation mit. Natürlich werden wir zu dem Ergebnis kommen, dass bestimmte Einsparpotenziale da sind und zwar im Rahmen dessen, was wir im Bernburger Abkommen besprochen haben. Da geht es nicht um 12 oder 14 Millionen sondern um 2 bis 3 Millionen.
Werden in dem Papier auch bestimmte Institute direkt thematisiert?
Nein, das ist noch zu früh. Auch der Hochschulstrukturplan geht von Perspektiven aus, deren Grundlagen noch gar nicht gelegt sind. Ganz aktuell stellt sich die Frage nur in den Medien- und Kommunikationswissenschaften, da dort bald alle Professuren vakant sind. Das trifft für die anderen Institute nicht zu. Bei den Geo- und den Sportwissenschaften, die auch für das Lehramt ausbilden, wäre eine Voraussetzung, dass es ein Abkommen mit Sachsen gibt und dort entsprechende Institute die Ausbildung für Sachsen-Anhalt übernehmen. Davon sind wir noch sehr weit entfernt, insofern sind diese Vorstellungen nicht realistisch.
In den Medien hieß es im Sommer auch: „Die Uni Halle müsse ihre Hausaufgaben machen.“ Haben Sie darauf eine Antwort?
Ich verwahre mich gegen den Ausdruck „Hausaufgaben“. Das Wort verniedlicht die Probleme, um die es geht. Wenn es um marginale Einsparungen ginge, die mit zwei Professuren erbracht sind, kann man das vielleicht „Hausaufgaben machen“ nennen. Wenn 12 Millionen eingespart und fünf Institute geschlossen werden sollen, kann ich das mit diesem Begriff nicht decken. Da geht es um massive Einschnitte in die Hochschulstruktur. Wer das verlangt, muss es auch benennen. Der Ausdruck wird auch von der Politik gern benutzt: „Die Uni Halle muss noch ihre Hausaufgaben machen.“ Das klingt nach: „Die wollen nicht, die machen nicht mit“. Aber die Wahrheit ist, dass man von uns fordert, wesentliche Teile der Universität abzuschaffen. Das sollte man auch so benennen. Es gibt diese merkwürdige Hoffnung der Beteiligten, man könnte dieses Problem elegant lösen, ohne dass es einer merkt. Ein Hochschulentwicklungsplan, der Kürzungen vorsieht, bekommt bei uns kein einstimmiges Senatsvotum und kann auch nicht als positive Entwicklung verkauft werden.
Nach dem Ende Ihrer zweiten Amtszeit gehen Sie in den Ruhestand. Wie möchten Sie als Rektor 2018 diese Universität verlassen?
Ich möchte möglichst bald – spätestens im nächsten Jahr – aus dieser Spardiskussion raus sein und dann an der Universität an einer inhaltlichen Profilierung arbeiten, die entsprechend finanziell untersetzt ist. Ich möchte gemeinsam mit den Nachbaruniversitäten diesen mitteldeutschen Universitätsraum gestalten und unsere Universität in den Schwerpunkten, aber auch in den anderen Bereichen so entwickeln, dass wir klare Perspektiven haben, die bis 2030/35 zukunftsträchtig sind.