Schenkung ist offiziell: Archiv übernimmt Nachlass der Familie Weißler
Es waren fünf gut gefüllte Umzugskartons, die bereits im vergangenen Jahr an das Universitätsarchiv übergeben wurden. Zahlreiche Dokumente befanden sich darin, Manuskripte, Studienzeugnisse der Söhne Adolf Weißlers, Filmrollen, Briefe, seltene Bücher wie ein unter Pseudonym veröffentlichtes Werk, in dem sich der Rechtsanwalt und Notar kritisch mit dem Judentum auseinandersetzte. Und nicht zuletzt: dessen Tagebuch. In ihm spiegelt sich der Verlauf des Ersten Weltkrieges wider, in ihm kündigt der verzweifelte Weißler 1919 auch seinen Suizid an. All diese Materialien sind inzwischen von der MLU-Historikerin Vicky Kühnold geordnet und verzeichnet worden, im Februar wurde zudem durch Nachfahren Weißlers und durch das Universitätsarchiv der Schenkungsvertrag unterzeichnet. Der Familiennachlass steht Interessierten damit offiziell zur Verfügung.
Adolf Weißler war 1893 aus dem oberschlesischen Königshütte mit seiner Frau Auguste und drei Söhnen nach Halle gezogen. Hier baute er eine Rechtsanwaltskanzlei auf, ab 1899 auch ein Notariat. Neben seiner beruflichen Tätigkeit war Adolf Weißler in erheblichem Umfang schriftstellerisch und berufspolitisch engagiert. Er veröffentlichte mehrere große Untersuchungen zur Geschichte des preußischen Notariats und zur Geschichte der Rechtsanwaltschaft, wirkte als juristischer Kommentator und gab Gesetzessammlungen heraus. Im Jahr 1900 gründete Adolf Weißler den Deutschen Notarverein und die Zeitschrift des Deutschen Notarvereins, später unterstützte er maßgeblich die Gründung der Ruhegehalts-, Witwen- und Waisenkasse für deutsche Rechtsanwälte.
Aus Verzweiflung über die bedingungslose Annahme des Friedensvertrages von Versailles durch die Deutsche Nationalversammlung nahm sich Adolf Weißler am 25. Juni 1919 auf der Peißnitz das Leben. Er hinterließ seine Frau Auguste, die nach Jahren als Witwe in Halle, Magdeburg und Berlin in das Ghetto Theresienstadt deportiert wurde, wo sie Ende November 1943 starb. Weißlers Sohn Otto starb 1935 an einer Krankheit. Die beiden anderen Söhne Ernst und Georg Friedrich waren ungeachtet ihrer evangelischen Taufe den rassenideologisch begründeten Verfolgungen und Misshandlungen durch den nationalsozialistischen Staat ausgesetzt. Ernst musste 1939 ins Exil nach Shanghai gehen. Sein Bruder Friedrich, promovierter Jurist und Richter, zuletzt ab 1932 Landgerichtsdirektor in Magdeburg, wurde im Juli 1933 aus dem Staatsdienst entlassen. Drei Jahre später wurde er in Berlin verhaftet, mehrere Wochen durch die Gestapo verhört und nach seiner Überstellung in das Konzentrationslager Sachsenhausen in der Nacht vom 18. auf den 19. Februar 1937 ermordet.
Gewürdigt wurden Leben und Wirken der Familie Weißler bislang vor allem in vier Büchern. Mit Bezug zu dem Nachlass entstehen zudem gegenwärtig im Juristischen Bereich der MLU die Dissertationen von Julia Schilling zu „Friedrich Weißler – Besonderheiten und Einflussfaktoren der beruflichen Laufbahn eines jüdischen deutschen Juristen“ und von Christian Clewe zu „Folgen der Arisierung von in jüdischem Eigentum stehenden juristischen Fachverlagen ab 1933 für Verlage, Autoren und rechtswissenschaftliche Inhalte“.
Bücher zur Familie Weißler
- Armin Höland, Heiner Lück (Hg.): Juristenkarrieren in der preußischen Provinz Sachsen (1919-1945). Lebenswege und Wirkungen, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2004
- Wolf George Harms: Adolf Weißler. Rechtsanwalt – Notar – Justizrat (1855-1919). Eine biografische Dokumentation, Deutscher Notarverlag, Bonn 2017
- Manfred Gailus: Friedrich Weißler. Ein Jurist und bekennender Christ im Widerstand gegen Hitler, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2017
- Armin Höland, Heiner Lück (Hg.): Notariat im Wandel. Dem Notar Adolf Weißler (1855-1919) anlässlich seines 100. Todestages zum Gedächtnis, Deutscher Notarverlag, Bonn 2020
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