Schlittschuhläufer und Sprachartist: Studierende präsentieren Klopstock
Nein, hier geht es nicht um eine bestimmte Abfolge von Ballett-Schritten. In diesen Versen beschreibt Friedrich Gottlieb Klopstock vielmehr seine liebste winterliche Beschäftigung: Den Eislauf, den er damals – im 18. Jahrhundert – mit seinen sogenannten „Schrittschuhen“ betrieb. Noch heute sind die beiden Holzklötze mit den groben Kufen in seinem Geburtshaus in Quedlinburg im Harz zu sehen.
Denn Klopstock setzte seinerzeit nicht nur mit seinen Gedichten neue Maßstäbe, sondern auch mit seiner Begeisterung für den damals noch recht unbekannten Zeitvertreib. „Eislaufen war damals vor allem in Skandinavien und den Niederlanden verbreitet. Dort dienten Schlittschuhe in erster Linie als Fortbewegungsmittel“, erzählt Johanna Müller, Teilnehmerin des Klopstock-Seminars unter Leitung der Germanistin Dr. Christiane Holm und des Pietismusforschers Dr. Christian Soboth. Zusammen mit ihrer Kommilitonin Maria Junker hat sie sich in die Geschichte des Eislaufens und Klopstocks Rolle als Trendsetter eingelesen.
Schlittschuh-Oden im Rhythmus der Kufen
„Klopstock war einer der ersten, die gesagt haben: Eislauf ist nicht nur Sport. Der Rhythmus ist eher mit einem Tanz vergleichbar“, sagt Junker. Diesen Rhythmus hat Klopstock in seinen fünf Schlittschuh-Oden auch in die Sprache übertragen. Im Rhythmus der Verse kann man auch die Bewegungen auf dem Eis nachvollziehen. – „So als würde die Sprache selber tanzen und Bögen ziehen“, sagt Laurenz Balzarek, ein weiterer Seminarteilnehmer. Klopstock dichtete:
Wie schweigt um uns das weiße Gefild!
Wie ertönt vom jungen Froste die Bahn! …
Wie seine Sprache in den Oden dem Schlittschuhlauf nachempfunden ist, das wollen die Seminar-Teilnehmer am 4. und 11. Dezember im Geburtshaus des Dichters in Quedlinburg sichtbar machen. In kurzen Präsentationen werden die 13 Studierenden an den kommenden beiden Wochenenden zwischen 10 und 16 Uhr – jeweils über das gesamte Haus verteilt – zu unterschiedlichen Themen rund um Klopstocks Leben vortragen. „Klopstock galt seinen Zeitgenossen als der Dichter des 18. Jahrhunderts und das ist heute nur noch wenigen bekannt. Ein Anliegen des Seminars ist es, dass zu ändern und den Dichter ins Stadtgespräch zurückzubringen. Damit beginnen wir im Klopstockhaus“, erläutert die Literaturwissenschaftlerin Christiane Holm.
Goethe hat dem Quedlinburger längst den Rang abgelaufen. Und dennoch schafft es der erste Popstar der deutschen Literatur auch heute, die Studierenden für sich zu begeistern: „Es ist beeindruckend, wie er die Kulturgeschichte beeinflusst hat. Er ist herausgestochen. Er war einzigartig, sehr intelligent und auch sehr von sich selbst überzeugt“, sagt Maria Junker. „Er hat zum Beispiel auf Reime verzichtet, die griechischen Versmaße aufgegriffen und in Hexametern gedichtet. Dieses Prinzip hat Goethe dann von ihm übernommen“, erzählt Johanna Müller. Seine Gedichte seien deshalb heute schwerer zu verstehen als die vieler anderer Lyriker. „Er schrieb verschachtelte Oden, und hat sich dabei oft auf eine Mythenwelt bezogen, die uns heute auch nicht mehr geläufig ist“, erklärt Laurenz Balzarek.
"Einfach mal laut lesen."
Und trotzdem erschließen sich auch Klopstocks komplexe Satzgebilde, wenn man sich auf seine Texte erst einmal einlässt. „Einfach mal laut lesen“, rät Maria Junker. „Dann merkt man plötzlich: Da passiert was und die Texte geben ihre Geheimnisse preis.“ Dank des Seminars ist Klopstock in diesem Monat nicht nur in Quedlinburg zu hören: Auch MDR Kultur wird im Tagesprogramm über die kommenden Wochen kurze Hörminiaturen senden, die von den Studierenden gemeinsam mit der Redakteurin Dr. Katrin Schumacher entwickelt wurden.
Rund um das Thema „Literarische Winterfreuden“ haben die Seminar-Teilnehmer passende Verse ausgewählt und zusätzlich kurze erläuternde Texte geschrieben. Nicht nur Gedichte werden vorgetragen, auch Ausschnitte aus dem Briefwechsel zwischen Friedrich Gottlieb und Margarete Klopstock werden zu hören sein. „Sie waren eines der berühmtesten Liebespaare des 18. Jahrhunderts. Man traf sich damals, um diese Briefe gemeinsam öffentlich zu lesen“, sagt Balzarek, der sich für das Seminar in diesen Briefwechsel vertieft hat. Unterhaltsame Lektüre: „Klopstock orientierte sich an der gesprochenen Sprache und er wusste, sich zu inszenieren: Er schrieb in den Briefen in der dritten Person über sich – als würde er die Briefe an seine Frau gar nicht selbst schreiben.“
Den Auftakt der kleinen Radio-Reihe macht Seminarleiter Dr. Christian Soboth, der morgen, 3. Dezember, im Interview bei „MDR Kultur am Mittag“ über Klopstock und das Projekt berichten wird. Das Projekt basiert auf einer Kooperation des Germanistischen Instituts und des Interdisziplinären Zentrums für Pietismusforschung mit dem Klopstockverein Quedlinburg.
„Klopstock! in 7 Minuten.“ –Veranstaltung in Quedlinburg
Ihre Kurzvorträge zum Thema „Klopstock! in 7 Minuten. Schlittschuhläufer, Sprachartist und Quedlinburger“ werden die Studierenden am 4. und am 11. Dezember in der Zeit von 10 bis 16 Uhr im Klopstock-Haus am Schlossberg 12 in Quedlinburg präsentieren. Die Veranstaltung bei Facebook