Hochschulpolitisch engagiert und international anerkannt: Zum Tod des Neurologen Stephan Zierz

27.06.2024 von Prof. Dr. Dr. Bernd Fischer, Prof. Dr. Markus Otto, Kirsten Borst in Personalia
Am 22. April ist der Neurologe Prof. Dr. Stephan Zierz im Alter von 69 Jahren verstorben. Seit 1994 wirkte er in Halle als Professor an der Medizinischen Fakultät und zugleich als Klinikdirektor. Über viele Jahre war er in der akademischen Selbstverwaltung engagiert, allein in drei Amtsperioden als Dekan. Ein Nachruf von Prof. Dr. Dr. Bernd Fischer, Prof. Dr. Markus Otto und Kirsten Borst
Stephan Zierz
Stephan Zierz (Foto: Universitätsmedizin Halle)

Die Universitätsmedizin Halle (Saale) trauert um Prof. Dr. med. Stephan Franz Maria Zierz. Über mehr als zwei Jahrzehnte als Klinikdirektor und Dekan hat er die Geschicke und Entwicklungen der Universitätsmedizin mitgestaltet und vorangetrieben.

Professor Zierz, als erster Sohn des Dermatologen Prof. Paul Zierz und seiner Ehefrau Marianne Zierz in Heidelberg geboren, studierte in Gießen und Bonn Medizin. Schon im Praktischen Jahr schlug er die Richtung „Neurologie“ ein. Nach seiner Promotion 1980 und Assistenzarztstellen in Landeck und Göttingen war Stephan Zierz zwischen 1984 und 1985 Research Fellow am Neuromuscular Research Center im Department of Neurology an der Mayo-Clinic Rochester, Minnesota/USA, und seit 1986 an der Universitätsklinik in Bonn als Neurologe tätig. Er wurde 1990 dort für das Fach Neurologie mit der Arbeit unter dem Titel „Ophthalmoplegia-plus und Kearns-Sayre-Syndrom: Klinik, Biochemie und Therapieversuch mit Coenzym Q“ habilitiert. Im September 1993 erhielt er den Ruf auf die C4-Professur für Neurologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, den er annahm. Zum 1. September 1994 trat er seinen Dienst, verbunden mit dem Direktorat der Universitätsklinik und Poliklinik für Neurologie, in Halle an.

Drei Amtsperioden stand er der Medizinischen Fakultät als Dekan vor: 1996 bis 1998, 1998 bis 2000 und 2006 bis 2010. Er war in diesem Amt auch mehrere Jahre Mitglied des Präsidiums des Medizinischen Fakultätentages. Zudem war er Mitglied des damaligen Konzils der halleschen Universität, langjähriges Mitglied des Akademischen Senats der MLU, Mitglied des Aufsichtsrates des Universitätsklinikums Leipzig und Fachgutachter für das Fachgebiet „Neurologie“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Erst zwei Jahre an der Alma mater halensis et vitenbergensis, wurde er 1996 zum damals vielleicht jüngsten Dekan in der Medizin in Deutschland gewählt. Zu dieser Zeit stand die Medizinische Fakultät Halle vor der Frage, das Universitätsklinikum als Landesbetrieb weiter zu führen oder in private Hände zu geben. Stephan Zierz sprach sich gegen die Variante „Privatisierung“ aus und hatte die Mehrheit der Fakultät hinter sich. Es folgten „wilde Zeiten“: neue Gremien, diverse und aufwändige Bauplanungen - Halles Universitätsmedizin erstreckte sich über mehrere Standorte, zum größten Teil in baulich schlechtem Zustand und mit unzeitgemäßer und veralteter Ausstattung. Diese Tatsachen erschwerten auch die vielen anstehenden Berufungsverhandlungen und Strukturdiskussionen. Zudem ging es zusammen mit der damaligen Landesregierung um Fragen zu Studiengängen an der Medizinischen Fakultät. Neben Ärztinnen und Ärzten sowie Zahnärztinnen und Zahnärzten wurden hier vor der Jahrtausendwende auch Medizin-Pädagoginnen und -Pädagogen ausgebildet. Dieser Diplom-Studiengang wurde eingestellt und - auch mit großem Engagement des Dekans Stephan Zierz - der neue und zukunftsweisende Studiengang „Pflege- und Gesundheitswissenschaften“ etabliert.

Wichtig war Professor Zierz als Dekan und Vorsitzender des Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät und Mitglied des Klinikumsvorstandes des Universitätsklinikums, in seiner dritten Amtszeit ab 2006 „die Balance zwischen der damals neugegründeten Anstalt öffentlichen Rechts (UKH) und der Fakultät zu finden, um einerseits den ökonomischen Herausforderungen im Gesundheitswesen begegnen zu können und andererseits die Interessen von Forschung und Lehre zu wahren“ (Zitat S. Zierz anlässlich seiner Wahl als Dekan 2006).

Der Name „Stephan Zierz“ ist national wie international mit dem Gebiet der neuromuskulären Erkrankungen verknüpft. Prof. Zierz hat über viele Jahre maßgebliche Entwicklungen im klinischen und wissenschaftlichen Bereich der neuromuskulären Erkrankungen vorangetrieben. Mit seinem Ruf nach Halle (Saale) hat sich die Neurologie am Universitätsklinikum Halle zu einem deutschlandweit renommierten Zentrum für neuromuskuläre Krankheiten entwickelt. Damit einher ging eine enge Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke (DGM). Der Aufbau des Muskellabors in Halle bildet(e) bis heute die Grundlage für zahlreiche klinische und grundlagenwissenschaftliche Studien. Das Standardwerk „Muskelerkrankungen“, welches von Felix Jerusalem 1979 begründet wurde, hat Prof. Zierz im Verlauf schrittweise zu einem Grundlagenwerk der Myologie entwickelt. Besonders anerkennenswert war auch seine besondere Leidenschaft und langjährige Unterstützung der Ausbildung von Neurologinnen und Neurologen in der Mongolei. Mehr als 15 Jahre engagierte er sich in der Kooperation mit der Mongolian National University of Medical Siences in Ulan Bator (Mongolei), die er - gemeinsam mit einer damaligen Assistenzärztin (Dr. Saraa Jambal) - aufgebaut hatte. Nach seinem offiziellen Ausscheiden als Professor und Direktor der Neurologischen Klinik im Zuge der Neuberufung von Herrn Professor Markus Otto (2021) stand er als Arzt und international anerkannter Experte für Muskelerkrankungen der halleschen Universitätsmedizin weiter zur Verfügung.

Stephan Zierz war ein Glücksfall für jeden Gesprächspartner: offen, zugewandt, vielseitig gebildet und interessiert, humorvoll, begeisterungsfähig, ungemein wissbegierig und voller Empathie – ein Menschenfänger im besten Sinne des Wortes. Gespräche mit ihm waren ein Feuerwerk an Gedanken und Erinnerungen, Erinnerungen selbst an vermeintliche Kleinigkeiten und gespickt mit Anekdoten. Er hatte ein geradezu fotografisches Gedächtnis. Legendär waren seine Gastfreundschaft und Pasta-Abende sowie seine Reiselust. Er lebte die Kulinarik und Lebensfreude seiner pfälzischen Heimat. Er war ein ungemein engagierter Familienmensch.

Die hallesche Universitätsmedizin ist sehr dankbar, dass Professor Zierz fast drei Jahrzehnte als Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Neurologie und Dekan der Medizinischen Fakultät die Entwicklungen der Universitätsmedizin Halle aktiv mitgestaltet und vorangetrieben hat. Als herausragender und angesehener Wissenschaftler, Hochschullehrer und Arzt war er den Menschen stets zugewandt. Prof. Zierz hinterlässt seine Frau und drei erwachsene Töchter. Sein Tod reißt eine schmerzliche Lücke.

In Dankbarkeit für die langjährige Zusammenarbeit und in ehrendem Gedenken
Prof. Dr. Dr. Bernd Fischer, Prof. Dr. Markus Otto, Kirsten Borst

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Prof. Dr. Dr. Bernd Fischer war von 1993 bis 2015 Direktor des Instituts für Anatomie und Zellbiologie und unter anderem als Dekan (2003 bis 2006) und langjähriger Fakultätsrat ein enger Wegbegleiter des Verstorbenen. Prof. Dr. Markus Otto folgte Stephan Zierz 2021 auf die Professur für Neurologie. Kirsten Borst ist langjährige Referentin im Dekanat der Medizinischen Fakultät.

 

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