Studierende entwerfen ein Weltparlament in Halle
Es herrscht Totenstille an diesem Samstag im Hörsaal IV des Steintor-Campus, bis sich auf einmal der Delegierte der Republik der Malediven per Handzeichen zu Wort meldet. Es geht um die Verteilung der Sitze und darum, wie viele Vertreter in das zukünftige Weltparlament entsendet werden dürfen. Eine schwierige und langwierige Entscheidung, doch schließlich einigen sich die Teilnehmer auf eine proportionale Verteilung der Sitze.
Dass diese fiktive Konferenz unter dem Titel „Model UN Parliament“ an der Uni Halle stattfindet, ist der UN-Hochschulgruppe zu verdanken. „Der wissenschaftliche Mitarbeiter des Lehrstuhls für Internationale Beziehungen Christian Stock ist mit der Idee eines Weltparlaments an uns herangetreten“, sagt Stefan Schmid, der als Projektkoordinator der Hochschulgruppe tätig ist. Das Planspiel wurde in Zusammenarbeit mit der Young Initiative on Foreign Affairs and International Relations und der UNPA-Kampagne für ein Parlament bei der UN entwickelt.
Carmen Municio Díaz ist extra aus Barcelona angereist und verspricht sich viel von den drei Tagen in Halle: „Ich möchte mit meiner Teilnahme auch darauf aufmerksam machen, wie wichtig ein demokratisch gewähltes Weltparlament ist. Die UN muss reformiert werden“, sagt die junge Frau, die in Spanien Internationale Beziehungen im Master studiert. Bis jetzt gibt es kein Organ auf globaler Ebene, das direkt gewählt wird und somit demokratisch legitimiert ist. Selbstgewählte Vertreter würden den Bürgern mehr Mitsprache zu globalen Themen wie etwa dem Klimawandel einräumen. „Im Planspiel erhält man eine Vertragsgrundlage als Idee für dieses Parlament und schlüpft dann in die Rolle eines Diplomaten“, erklärt Roman Weidinger aus Berlin, der Äthiopien vertritt. Er fügt hinzu: „Es ist wahnsinnig schwierig bei so vielen Delegierten dann auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.“ Denn nicht die eigene Meinung muss vertreten werden, sondern die des jeweiligen Landes.
Nach zwei Tagen intensiver Diskussion in Englisch stellen die Teilnehmer der Simulation am Sonntag im Hallischen Saal ihren Entwurf für ein zukünftiges Weltparlament vor. „Die Delegierten haben sich auf die Einrichtung des Parlaments als subsidiäres Organ verständigt. Das bedeutet, dass das Parlament nur über eingeschränkte Kompetenzen verfügt. Mehr war gegen die fünf permanenten Sicherheitsratsmitglieder nicht durchsetzbar“, erklärt Christopher Hamich von der Hochschulgruppe. Das Parlament besitze nun die Möglichkeit, nicht-bindende Resolutionen zu verabschieden.
An der abschließenden Podiumsdiskussion nehmen nicht nur die 40 internationalen Studierenden teil, sondern auch Arne Lietz, SPD-Abgeordneter im Europäischen Parlament, Ann-Christine Niepelt, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft der Vereinten Nationen, und Andreas Bummel von der UNPA-Kampagne Deutschland.
Sie diskutieren darüber, wie der Entwurf umgesetzt werden könnte und welche Schwierigkeiten bei der Umsetzung in der Realität auftauchen könnten. Durch die Einrichtung des Parlaments als Nebenorgan sei gewährleistet, dass die fünf permanenten Mitglieder des Sicherheitsrates kein Veto einlegen können. Damit wäre sichergestellt, dass Entscheidungen des Weltparlaments nicht zu ihren Gunsten entschieden werden. Mit dem Statut sieht Christopher Hamich die Weichen für ein zukünftiges Weltparlament gelegt: „Wer weiß wie schnell sich politische Systeme und Demokratieempfinden ändern.“
Die Veranstaltung wurde finanziell gefördert von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen, der Vereinigung der Freunde und Förderer der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg e. V., dem Studierendenrat der Universität, der Stadt Halle und dem Stadtverband Halle der Partei Die Linke.