Uni startet online ins Semester
Es ist der Start in ein ungewöhnliches Semester: Die Präsenzlehre ist bundesweit wegen der Bedrohung durch das Corona-Virus vorerst ausgesetzt. Digitale Lehre soll an der MLU mit dem Vorlesungsbeginn am heutigen Montag dennoch das Studieren ermöglichen - eine Herausforderung, die Lehrende annehmen.
Dr. Martin Schattat startet dabei mit einem Vorsprung: Seit dem vergangenen Sommer hat der Biologe bereits viele seiner Vorlesungen als Video aufgezeichnet – mit vorhandener Hörsaal- oder mit selbst beschaffter Technik. „Mich hat es dadurch nicht ganz so kalt erwischt“, sagt der Wissenschaftler, der Allgemeine Botanik lehrt. Neu aufgenommen hat er jetzt unter anderem seine Einführung zur Frage, wie Studierende an elektronische Lehrbücher herankommen, „das ist ja noch interessanter als sonst, weil man nicht in die Bibliotheken gehen kann“. Auch drei weitere Veranstaltungen hat er in den vergangenen Wochen frisch produziert, im leeren Hörsaal. Diese „natürliche Situation“ – wenn auch ohne Publikum – sei für ihn von Vorteil gewesen, sagt er. Man spreche dynamischer, das reine Einsprechen vor einem Computermonitor erfordere im Vergleich zur Hörsaal-Situation nach seiner Erfahrung ein Vielfaches an Nachbearbeitung. Von 22 seiner Veranstaltungen seien jedenfalls 20 bereits aufgezeichnet, die ersten stehen inzwischen schon in der Lern- und Kommunikationsplattform Stud.IP bereit. „Das LLZ unterstützt da sehr gut“, sagt Schattat.
Insgesamt stehen am heutigen 6. April bereits 240 von Lehrenden selbst produzierte Videos in Stud.IP zur Verfügung, sagt Dr. Michael Gerth. Der Geschäftsführer des Zentrums für multimediales Lehren und Lernen (@LLZ) unterscheidet drei verschiedene Lehrszenarien: Erstens die mit dem Prorektorat für Studium und Lehre und den Dekanaten abgestimmten Hauptvorlesungen, die vom LLZ koordiniert und betreut in leeren Hörsälen aufgenommen werden. Die bearbeitete Videodatei wird dann automatisiert wenige Stunden später in den entsprechenden Veranstaltungen auf ILIAS bereitgestellt. Zweitens gibt es von Lehrenden in Eigenregie aufgezeichnete kleinere Vorlesungen, wie die von Martin Schattat, die in den Stud-IP-Veranstaltungen zur Verfügung gestellt werden. Und drittens Seminarangebote in Stud.IP und auf der Lernplattform ILIAS, die mit Hilfe von Anleitungen ebenfalls von den Dozentinnen und Dozenten selbst bereitgestellt werden. „Wir haben der Einfachheit halber die vielfältigen Möglichkeiten der digitalen Lehre auf diese drei Szenarien heruntergebrochen. Den Supportanfragen nach zu urteilen gibt es eine breite Beteiligung“, sagt Gerth. Kein Wunder, die Uni Halle ist recht gut vorbereitet, bereits vor zwei Wochen hat das LLZ ein eigens für die aktuelle Situation eingerichtetes Portal zum Thema Online-Lehre zusammengestellt und damit auch Hilfe zur Selbsthilfe bereitgestellt. Ab dem 7. April bietet das LLZ zusätzlich eine tägliche Onlinesprechstunde für Lehrende an. Von 13 bis 14 Uhr können Fragen zur Umsetzung oder zu technischen Problemen per Videokonferenz gestellt werden.
Die Aufzeichnung der Hauptvorlesungen – nach derzeitigem Stand etwa 60 – beginnt morgen, am 7. April. Dann wird zum Beispiel die Juristin Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich in einem Hörsaal des Melanchthonianums stehen – ohne die rund 150 Studierenden, die ihr üblicherweise in der Vorlesung zum Zivilprozessrecht gegenübersitzen. „Wir müssen etwas anbieten und wir wollen auch etwas anbieten“, sagt die Wissenschaftlerin. Was Meller-Hannich aus der Erfahrung vieler Jahre an der Uni vorausschickt: Keine Vorlesung ist wie im Jahr davor. Die größte Herausforderung diesmal sei, dass man bei aufgezeichneten Vorlesungen nicht wisse, ob das Gesagte überhaupt ankommt. „Das sehen Sie sonst in den Gesichtern.“ Um das auszugleichen, will sie noch eine Art von Fragestunde anbieten. Am liebsten wäre ihr eine Synchronveranstaltung – das allerdings ist bei der Größe einiger Veranstaltungen eine Herausforderung für die technische Infrastruktur, weshalb des LLZ derzeit vor allem asynchrone Formate empfiehlt.
„Es wird ein merkwürdiges Gefühl sein, weil man nicht mit Studierenden in Interaktion treten kann“, sagt auch Dr. Ines Budnik vom Institut für Rehabilitatonspädagogik, die die ersten beiden ihrer Vorlesungen „Grundlagen der Beratung und Kooperation in der Rehabilitationspädagogik“ aufzeichnen lässt. Dennoch sei sie in der Vorbereitung optimistisch, zumal die Studierenden diese später unabhängig abrufen können, wenn sie am Netz sind. „Das finde ich schön.“ Mit Mehraufwand seien insbesondere Screencasts verbunden, zu denen sie nach den beiden Auftaktvorlesungen übergehen will, also Folien, die sie sprachlich unterlegt. „Das ist eine riesige Herausforderung“, sagt Budnik – und das drei Semester vor ihrem Ruhestand. Ihre Hoffnung sei, ab Juni in die Präsenzlehre übergehen zu können und damit in die praktische Anwendung dessen, was jetzt an theoretischem Vorlauf geschaffen wird. Die Entscheidung, das Semester digital zu starten, auch wenn es für viele herausfordernd und schwierig ist, sei richtig. „In 20 Jahren werden wir sagen: Was haben wir da für einen Schub nach vorn gemacht.“