Viel Lärm um Wind
Im März 2004 brach ein medialer Sturm los. „Windmühlen-Wahn“ titelte das Magazin „Der Spiegel“. Quer durch die Republik wachse der „Widerstand gegen die Verspargelung der Landschaft durch immer mehr Windräder“. Wirklich? „Die Akzeptanz der Windenergie war damals sehr hoch – und sie ist es heute noch. In allen Umfragen stimmen mindestens 80 Prozent der Menschen der Windkraft-Nutzung als wichtigen Beitrag zur Deckung unseres Energiebedarfs zu“, sagt Dr. Gundula Hübner vom Institut für Psychologie der MLU. ´
Doch generelle Zustimmung bedeute nicht, dass es bei konkreten Projekten keine Probleme gebe. „Wenn das dann der Fall ist, berichten die Medien darüber. Nicht umsonst heißt es: ‚Bad news are good news.’“.
Nochmals „Der Spiegel“, 2005: „Irgendwann wird auch den Grünen die Verspargelung der Landschaft durch Windkraftanlagen auf den Sender gehen, weil ihnen das ‚Flapp-Flapp-Flapp’ der Rotorblätter in den Ohren klingelt. Ganze Landstriche mit Windmühlen zu übersäen, ist ohne Zweifel das ‚nachhaltigste Projekt’, um gleich zwei Vokabeln aus dem hässlichen Wörterbuch der Grünen zu zitieren.“ Bei aller Polemik: „Klingende Ohren“ und „übersäte Landstriche“ sind in der Tat Themen, die Menschen bewegen, die in der Nähe von Windrädern leben. „Geräuschemissionen, die Veränderung des Landschaftsbildes, die Befeuerung mit Signalleuchten, der periodische Schattenwurf – das sind die Belästigungsquellen, die Anwohner am meisten beschäftigen“, weiß Dr. Johannes Pohl.
Seit den 1990er Jahre beschäftigen sich Gundula Hübner und Johannes Pohl mit Akzeptanzfragen bei erneuerbaren Energien, vor allem in Bezug auf Windkraft. „Intelligente Techniken faszinieren mich“, sagt die 49-Jährige. „Und intelligente Techniken sind für mich nachhaltige Techniken. Solche, die mit unseren Lebensgrundlagen arbeiten.“
Kein Wunder, dass sich die Psychologen für die Menschen vor Ort interessieren, die auf Windräder blicken, sie hören, sie entstehen sehen. „Unsere Forschungen haben gezeigt, dass sich viel im Vorfeld klären lässt“, berichtet Johannes Pohl. „Wer als Betreiber frühzeitig auf Bedürfnisse eingeht, kann negative Emotionen dämpfen.“ Einfluss bei der Gestaltung sei ein wesentlicher Faktor, um die Akzeptanz von Windparks zu erhöhen. Es bestehe eindeutig ein Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit mit den Planungsprozessen und der Bewertung des entsprechenden Windparks. Hinzu komme die potenzielle wirtschaftliche Partizipation. „Es gibt schließlich schon viele ‚Bürgerwindparks’.“
Skepsis gibt es zunächst oft, Ängste gibt es viele – vor allem auf die eigene Gesundheit bezogen. Beispiel Lärm: Wenn ein Windradflügel am Turm vorbeirauscht, das Getriebe beim Rotieren surrt und die Mechanik nicht lautlos die Gondel dreht, dann mag das mancher Nachbar nicht hören. Mit diesen Geräuschemissionen beschäftigen sich die MLU-Psychologen seit Oktober 2011 in einem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projekt in Niedersachsen. „Wir wollen die Auswirkungen auf die Anwohner modellhaft analysieren und Handlungsempfehlungen erarbeiten, wie die Umwelt von diesen Emissionen entlastet werden kann“, erklärt Johannes Pohl.
Physikalische Messungen gehören dabei ebenso dazu wie das Erfassen der subjektiven Wahrnehmungen. Anwohner führen zum Beispiel Tagebuch über ihr Geräuschempfinden. „Natürlich gibt es Richtlinien für die Intensität der Geräusche“, sagt Pohl. „Aber nicht für die Qualität, also die Geräuschmuster.“ Auch müssten die gesundheitlichen Vorbelastungen in die Analyse einbezogen werden. Aus den Ergebnissen könne man am Ende im Idealfall Interventionsmöglichkeiten und Maßnahmen zur Stressbewältigung ableiten.
In einem zweiten, vom Bundesumweltministerium geförderten Projekt geht es um die Akzeptanz von Offshore-Windparks. In Deutschland sollen 40 solcher Parks in Nord- uns Ostsee entstehen. „Sie bedeuten einen mächtigen Eingriff in die Meereslandschaft – und Küstenbewohner haben dazu eine emotionale Bindung“, sagt Gundula Hübner, die selbst aus Kiel stammt. „Das Projekt ist 2009 gestartet, als noch kein einziger deutscher Offshore-Windpark am Netz war“, berichtet die Psychologin. „2011, bei der zweiten Befragungsrunde, waren zwei Parks in Betrieb. Einen dritten gibt es bereits. Unsere letzte Befragung machen wir 2012. Wir können also die Veränderung der Einstellungen erfassen, bei Anwohnern und auch Touristen.“
Natürlich gebe es Befürchtungen in Bezug auf Flora und Fauna. Und die Angst, dass Touristen wegbleiben. „Wir wollen herausfinden, wie Konflikte vermieden und die Akzeptanz der Windparks erhöht werden kann.“ Forschung im Sinne der Windkraftbetreiber? „Mitnichten“, sagt Gundula Hübner. „Wir ermitteln belastbare Fakten und empfehlen entsprechende Maßnahmen – die den Betreibern nicht unbedingt behagen.“