Von der Ideologie zur Erkenntnis: Theologin erforscht „Prekäre Souveränität”
„Was geschieht, wenn Souveränität ins Wanken gerät, ist gerade in der Ukraine oder Griechenland ersichtlich“, sagt Dr. Rebekka Klein von der Theologischen Fakultät. „Die Staaten wollen selbst entscheiden, was mit ihnen geschieht.“ Nur funktioniert Souveränität heute nicht mehr so wie einstmals gedacht. Natürlich gibt es noch immer Staaten mit eigener Gesetzgebung und eigenem Militär, aber da sind eben auch die Globalisierung, die internationalen Konzerne, Organisationen und Verträge, da ist der Wunsch nach kosmopolitischer Weltordnung.
Tendenzen also, die weg vom Nationalstaat führen, weg von der alten Idee der Souveränität. Genau das ist der Punkt, an dem Kleins aktuelle Forschungen ansetzen. „Die Staatenwelt entwickelt und verändert sich weg von der Souveränität und verharrt nichtsdestotrotz an dieser alten, eigentlich antiquierten Idee.“
Klar, dass daraus Widersprüche erwachsen müssen. „Prekäre Souveränität“ nennt Klein diese Parallelentwicklung zwischen einem Weg-von-der-Souveränität einerseits und einem Festhalten-an-der-Souveränität andererseits. Eine Entwicklung, die ein zusätzliches Phänomen weiter verstärkt: „Wir Deutschen lieben es, an der Idee festzuhalten, unsere Politik funktioniere rational.“ Die Auffassung, für jede Frage gebe es eine logische Antwort.
Ist Souveränität metaphysisch?
„Dabei beruht das Gros der Politik auf ganz und gar Irrationalem.“ Da sei etwas Metaphysisches in der Politik. Dies zu betrachten ist Aufgabe der Politischen Theologie und damit Rebekka Kleins. Theologie nicht unbedingt in dem Sinne, dass (ein) Gott im Vordergrund steht, sondern eben eine unerklärbare Logik, ein sich-Berufen-auf-etwas-Übernatürliches. Souveränität als Idee zum Beispiel.
Dass Souveränität eindeutig in die Kategorie „metaphysisch“ einzuordnen ist, zeigt sich bereits bei dem Versuch, sie auf die Demokratie zu beziehen: Zumindest der Idee nach ist hier das Volk der Souverän. Ein bisschen zumindest. Immer dann, wenn es zur Wahlurne geht, um Repräsentanten zu wählen. Nur können nicht alle wählen, die in der Bundesrepublik leben und Teil unserer Gesellschaft sind.
Wer das Volk ist, wird also irgendwie bestimmt und an diese Bestimmung wird geglaubt. Bereits an diesem Punkt zeigt sich für Klein: Demokratie und Souveränität sind zusammengedacht schwierig. Souveränität soll der Demokratie ein Fundament geben, führt aber dazu, dass einzelne Gruppen der Gesellschaft sich mit ihr identifizieren, während andere ausgeschlossen werden.
Gibt es einen Weg, der Ideologie zu entkommen?
Souveränität ruhe laut Klein auf einem wackeligen Fundament, das durch verschiedene Ideologien ausgefüllt werden kann. Deshalb ist sie prekär und deshalb ist sie abhängig von der aktuell vorherrschenden Ideologie. Mit der Dilthey-Fellowship, einem mit 400.000 Euro dotierten Stipendium der Fritz-Thyssen-Stiftung und der Volkswagenstiftung, forschte die Wissenschaftlerin drei Jahre lang, wie so eine Ideologie der Souveränität funktioniert. Mit den Philosophen Claude Lefort und Slavoj Žižek sowie dem Theologen Karl Barth an der Hand stellt sie zudem die Frage, wie mit dieser Ideologie kritisch umzugehen ist.
Gibt es einen Weg, der Ideologie zu entkommen – ohne gleiche eine neue zu begründen? Der wissenschaftliche Diskurs ist sich in diesem Punkt uneins, Kleins Vision ist: Ja, es gibt Auswege aus der Ideologie. Zum Beispiel durch Forschung und Erkenntnis. Wenn wir verstehen, wie Ideologie und Souveränität in der Vergangenheit gekoppelt wurden, steckt darin vielleicht der Schlüssel zur Überwindung der Ideologie.
Kontakt: Dr. Rebekka Klein
Systematische Theologie
Tel.: 0345 55 23082
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