Wenn der Wissensdurst einfach nicht aufhört
Patricia Elstermann sitzt in der Mensa und schlürft Kaffee. Gleich beginnt ihre nächste Lehrveranstaltung. Doch die kleine Pause muss sein. Sie ist ihr genauso wichtig wie das Vorankommen im Studium. „Nur so kann ich das Beste aus mir herausholen“, sagt die 21-Jährige. Das Beste bedeutet für sie: Möglichst viel Wissen aufzusaugen. Wer sich mit ihr unterhält, merkt schnell: Es ist ihr mehr tiefes Bedürfnis als störende Last; Lernen bereitet ihr schlichtweg Freude. Hingegen kann sie wenig mit durchfeierten Party-Nächten oder dem anfangen, was man gemeinhin unter einem ausschweifenden Studentenleben versteht. „Ich war schon immer jemand, der keine Trends mitgemacht hat“, sagt sie.
Das Erste Staatsexamen im Fach Rechtswissenschaft liegt bereits hinter ihr. Eigentlich fast überflüssig zu erwähnen, dass sie es mit überdurchschnittlichen Leistungen absolviert hat. Mit dem im Anschluss eigentlich üblichen Referendariat wollte sie trotzdem noch nicht sofort beginnen. „Weil die Leute einen nicht immer für voll nehmen, wenn man noch so jung ist“, sagt sie. „Obwohl“, so schränkt sie ein, „zumindest an der Uni wissen viele gar nicht, dass ich jünger bin als sie.“ Warum auch, schließlich tue es ja nichts zur Sache.
Um ihren enormen Wissenshunger zu stillen, studiert Patricia Elstermann seit Oktober vergangenen Jahres nun an der MLU einen Masterstudiengang für Wirtschaftsrecht. Parallel dazu promoviert sie bei Prof. Dr. Christian Tietje, einem ausgewiesenen Experten auf diesem Gebiet. Der Studiengang ist interdisziplinär aufgebaut; das gefällt ihr sehr. „Ich fühle mich absolut wohl damit“, sagt sie. Gleichermaßen reiz- wie anspruchsvoll seien die Fächer, die sie derzeit belegt oder schon absolviert hat: Internationales Wirtschaftsrecht, aber auch Bilanzierung, Buchführung und Volkswirtschaftslehre. „All das finde ich total spannend, auch, weil es so logisch aufgebaut ist“, sagt Patricia Elstermann. Skeptiker mögen nun einwenden, dass die erwähnten Fächer nicht gerade im Verdacht stehen, dass ihnen eine besonders heitere Note innewohnt. Und auch die schwierigen Gesetzestexte, mit denen angehende Juristen konfrontiert sind, wirken nicht selten abschreckend. Doch diese Argumentation kann Patricia Elstermann nicht nachvollziehen. „Zwar muss man sich da hineinfuchsen. Aber eigentlich ist die Sprache in juristischen Büchern exakt und logisch.“
Ihr Arbeitspensum? Das sei ganz normal. Allerdings müsse man sich gut organisieren. „Es bringt nichts, zwei Tage vor der Prüfung mit dem Lernen anzufangen. Ich bleibe lieber kontinuierlich am Ball.“ Auch deshalb wohnt sie noch zu Hause bei ihren Eltern in der Nähe von Köthen. Das hat viele Vorteile, vor allem in den Prüfungsphasen, wenn man zu Hause quasi wie im Hotel wohnt und dort sowohl aufmunternde Worte als auch Tee und Essen serviert bekommt. Überhaupt ist ihr Elternhaus für die junge Frau eine enorme Hilfe. „Ich bin immer unterstützt worden“, sagt sie.
Das war auch schon bei der Studienwahl so. „Jura muss man wirklich wollen, dann macht es auch Spaß“, sagt Patricia Elstermann, die schon sehr früh wusste, was sie will. In den Sommerferien nach der 11. Klasse, da war sie gerade 15 geworden, machte sie ein Praktikum am Landgericht in Halle. Außerdem fuhr sie zur Deutschen Schülerakademie, einem bundesweiten Programm für begabte Jugendliche. Der Kurs, den sie sich dort ausgesucht hatte, hieß „Vom Fall zum Urteil“. Beides mündete in ihre Entscheidung, ein Jurastudium zu beginnen. Was sie daran reizt? „Es ist die gute Art und Weise, in der man dazu beitragen kann, Gerechtigkeit herzustellen“, sagt sie.
Wenn man so schnell wie Patricia Elstermann durchs Studium saust, wie stellt man sich dann eigentlich seine Zukunft vor? Strafverteidigerin möchte sie nicht werden, so viel weiß sie schon. Hingegen könnte sie sich eine Karriere im Bereich des internationalen Wirtschaftsrechts durchaus vorstellen. Konkretes steht allerdings noch nicht fest. Muss ja auch nicht. Sie hat doch noch so viel Zeit, denn wenn sie Studium, Promotion und Referendariat wie geplant in fünf Jahren beenden wird, ist sie erst 26.
Was nun eigentlich ihr Erfolgsgeheimnis ist, weiß Patricia Elstermann selbst nicht so genau. Sie interessiert sich einfach für so viele Dinge, das Lernen fällt ihr relativ leicht. Vielleicht ist es genau diese Mischung, die sie quasi spielend voranbringt. Ganz sicher gehören aber auch der Sport, den sie treibt und die Spaziergänge, die sie mit ihren Freunden unternimmt, dazu. „Das bringt Ausgleich und ich kann dabei Kraft tanken“. Ach ja, und Folgendes ist ebenfalls wichtig: „Zwischendurch mal einen ganzen Tag lang nichts tun.“