Der Marketing-Student mit dem Turbo
Die Wochentage von Wilhelm „Willy“ Hirsch sind durchgeplant: Morgens um sechs Uhr steht er auf, eine Stunde später startet er in die erste von drei, manchmal sogar vier Trainingseinheiten. Dazwischen schiebt er zwei Module oder Lernphasen an der Uni; außerdem noch seinen Job als Werkstudent bei der Abteilung Unternehmenskommunikation der Stadtwerke. Klingt irgendwie stressig. „Ach was“, entgegnet der zugewandte 26-Jährige. Für ihn ist das mehr eine Frage der richtigen Organisation. „Ich bin total durchstrukturiert“, sagt er. Das zu lernen, dabei habe ihm auch sein Studienfach geholfen: Betriebswirtschaftslehre, die er inzwischen im Master mit der Vertiefungsrichtung „Marketing“ an der MLU studiert.
Mit dem Fach ist er zufrieden; es passt gut, denn als Leistungssportler vermarktet sich der gebürtige Hallenser inzwischen selbst. Das reicht von der Planung von Reisen zu internationalen Wettkampforten über die Suche nach Sponsoren und die Erstellung von Trainingsplänen bis hin zur Organisation des Alltags. „Ich bin inzwischen schon zu einem kleinen Einzelunternehmen geworden“, sagt Hirsch.
Seine Karriere, so erklärt er, sei ganz langsam gewachsen: Schon als Junge begleitete er seinen Vater regelmäßig zum Training beim USV Halle. Aufgewachsen mit zwei Brüdern war Willy derjenige „mit dem größten Bewegungsdrang“, was auch dazu führte, dass die Eltern ihn auf die hallesche Sportschule schickten. Dort zeigte sich schnell, dass er nicht nur talentiert war, sondern deutliche Leistungssprünge verzeichnete. Triathlon, das bedeutet für die Mitteldistanz, auf der Hirsch überwiegend – und auch in Neuseeland – startet: 1,9 Kilometer Schwimmen, 90 Kilometer Radfahren und einen Halbmarathon, also 21 Kilometer Laufen. Einer seiner jüngsten internationalen Erfolge war 2022 eine Goldmedaille, die er mit der Staffel bei den Studentenweltmeisterschaften in Brasilien holte.
Am Triathlon reizt ihn, „dass es eigentlich drei Sportarten sind, und man dadurch sehr abwechslungsreich trainieren kann. Außerdem ist man viel an der frischen Luft und bekommt den Kopf frei.“ Und schließlich sei der große Vorteil, dass man mit Ausnahme des Schwimmens, für das man an Hallenzeiten gebunden ist, jederzeit und fast überall trainieren kann.
Je größer der Raum, den der Sport im Leben von Hirsch einnimmt, umso weniger bleibt ihm natürlich Zeit für andere Dinge. Dennoch: Er schätzt die Möglichkeiten, die ihm sein Sport bietet, und auch die große Freiheit, das alles selbstständig zu planen. „Man wächst damit, nicht nur als Sportler, sondern auch als Mensch.“
2019 begann der Athlet, der - wie er sagt - aus „einer echten BWL-Familie“ stammt, sein Bachelorstudium an der MLU. BWL, so Hirsch, „das ist von jedem etwas, also thematisch sehr breit und abwechslungsreich.“ 2023 schaffte er den Abschluss und ist inzwischen im Master angekommen. An der Fakultät erhält er keine Sonderbehandlung, versäumten Stoff muss er selbst nachholen. „Viele wissen gar nicht, dass ich Leistungssportler bin“, sagt Hirsch. Entgegen kommt ihm die relative Freiheit, die er bei der Wahl einzelner Module und Veranstaltungen genießt. Von Vorteil sei außerdem, dass viele Dozentinnen und Dozenten ihre Lehrveranstaltungen inzwischen online zur Verfügung stellen, „so dass ich sie dann hören kann, wenn ich Zeit habe.“
Überhaupt studiert er gern in Halle. Die traditionsreiche Uni spreche für sich, sagt Hirsch; letztlich seien es aber auch die gute Ausstattung und die kurzen Wege gewesen, die dazu führten, dass er sich an der MLU eingeschrieben und gegen das Studium an einer Fernuniversität entschieden hat.
In Halle habe er außerdem sehr gute Trainingsbedingungen, so dass er vor einiger Zeit auch die Option ausgeschlagen habe, an einen Bundesstützpunkt zu wechseln, so Hirsch. „Außerdem bin ich hier Zuhause und fühle mich der Region sehr verbunden“, sagt der Triathlet, der beim SV Halle trainiert und auch die Unisportanlagen auf der Peißnitz nutzt.
Die in diesen Tagen anstehende WM in Neuseeland ist für Hirsch eine weitere Chance, sich in der Weltspitze zu etablieren. Erst im Oktober hatte er beim Ironman in Barcelona auf sich aufmerksam gemacht; dort belegte er nicht nur den zweiten Platz und qualifizierte sich damit direkt für die Ironman-WM 2025 in Frankreich. Er absolvierte den Wettkampf in der Langdistanz darüber hinaus mit einer Zeit von 7:30.16 Stunden und erreichte so die achtschnellste Zeit aller Zeiten.
Setzt sich dieser Trend fort, dann kommt Willy Hirsch seinen Traum, Profisportler zu werden, Stück für Stück näher. Doch weil man sich nicht sicher sein kann, ob der Sprung in die Profiliga wirklich gelingt, ist es Willy Hirsch weiterhin mindestens ebenso wichtig, sein Studium abzuschließen, „um dann später vielleicht im Bereich Sportmanagement arbeiten zu können.“
In Neuseeland kann er auf die Unterstützung seiner Familie zählen, die ihn zur WM begleitet. Ganz gleich, wie der Wettkampf am 15. Dezember im auf der Nordinsel gelegenen Ort Taupo ausgeht: Im Anschluss an die Rennen werden Hirsch und seine Familie noch ein paar Tage Urlaub anhängen, denn „wenn man schon mal in dieser Gegend ist, dann sollte man sich dort auch noch ein bisschen umschauen.“