„Wir wollen ein klares Konzept“
Herr Professor Sträter, warum trifft sich der Senat am Mittwoch zu einer Sondersitzung?
Der Wissenschaftsrat hat uns zahlreiche Fragen gestellt. Wir wollen über die Antworten diskutieren. Die ausgefüllten Fragebögen müssen wir bis zum 25. Januar einreichen. Die reguläre Senatssitzung liegt dafür zu spät, deshalb ist eine Sondersitzung erforderlich.
Was genau fragt der Wissenschaftsrat ab?
Er hat vom Land die Aufgabe erhalten, die gesamte Hochschullandschaft Sachsen-Anhalts zu untersuchen und zu evaluieren. Im Sommer 2013 wird er eine Empfehlung an die Landesregierung abgeben. Dieses Verfahren beginnt mit einer Bestandsaufnahme mithilfe der Fragebögen. Im Frühjahr 2012 folgt dann die Begehung durch eine vom Wissenschaftsrat eingesetzte Kommission – bei uns wird das am 2. und 3. Mai der Fall sein. Im Sommer 2013 soll dann das Gutachten vorliegen.
In den Fragebögen geht es unter anderem um die Geschichte, das Leitbild und das Profil der Universität. Zudem werden eine Menge Daten abgefragt, von eingeworbenen Drittmitteln über die Zahl der Promotionen und Habilitationen bis hin zur Menge der Publikationen.
Was steht jetzt im Senat zur Diskussion?
Es geht vor allem um den Teil der Fragebögen, in dem die Universität ihr Leitbild benennt, ihre Forschung darstellt und ihre Stärken und Schwächen auflistet. Den ersten Entwurf der Antworten haben wir im Rektorat vorbereitet – in engem Kontakt mit den Dekanen und den Sprechern der Forschungsschwerpunkte. Dazu hat es bereits eine ganze Reihe von Sitzungen und Diskussionen gegeben. Nun soll der Senat einbezogen werden, um gemeinsam über diesen Entwurf zu diskutieren. Es ist eine erste Lesung, noch wird darüber nicht beschlossen. Im Januar wird sich der Senat noch einmal treffen, um sich über die Endfassung zu verständigen.
Es geht also um das Profil der MLU. Sie hatten bereits zu Ihrem Amtsantritt eine Diskussion darüber angekündigt. Aber die hatten Sie sich vermutlich ein wenig anders vorgestellt.
Ja. Sie sollte eigentlich mit etwas mehr Ruhe und Zeit stattfinden. Im Mai 2012 hätten wir dann zu Ergebnissen kommen können. Aber wir haben uns dafür entschieden, zumindest die wesentlichen Elemente dieser Diskussion bereits gegenüber dem Wissenschaftsrat darzustellen. Ich halte das für gut und der Senat sieht das auch so. Wir wollen mit einem klaren eigenen Konzept an die Begutachtung herangehen. Durch die Überschneidung dieser beiden Vorgänge – unsere eigene Profildebatte und die Begutachtung durch den Wissenschaftsrat – ist jetzt natürlich eine gewisse, so nicht gewollte Dynamik entstanden.
Was soll am Schluss dieser internen Profildebatte stehen?
Ein klares Profil der Universität in Forschung und Lehre – ein Profil, das uns von anderen Universitäten deutlich unterscheidet. Es gibt die nicht unberechtigte Kritik an den gängigen Leitbildern von Universitäten, dass überall dasselbe steht: interdisziplinäre Ausrichtung, internationale Forschung und so weiter. Das kann man sicherlich präziser fassen. In Halle gibt es ganz bestimmte Forschungsbereiche – einige davon sind historisch gewachsen – die sich in den letzten zwanzig Jahren deutlich profiliert haben.
Besteht bei dieser Profildefinition nicht die Gefahr, dass man dem Wissenschaftsrat und auch dem Land damit indirekt Kürzungsvorschläge liefert?
Das ist eine zurzeit herrschende Befürchtung. Es kann aber an einer Universität immer nur einige Forschungsschwerpunkte geben. Sie sind durch bestimmte Kriterien definiert, beispielsweise durch die Anzahl der beteiligten Forscher und die eingeworbenen Drittmittel. Jede Universität hat Bereiche, die nicht zu ihren profilbildenden Forschungsschwerpunkten gehören. Das heißt aber nicht, dass diese Bereiche nicht zur Universität gehören. In den kleinen Fächern gibt es vielleicht eine nicht so stark universitär vernetzte Einzelforschung, die dafür international vernetzt ist und auch für die Entwicklung des Fachs von Bedeutung ist. Wenn wir eine solche bedeutende Einzelforschung an der Universität haben, dann gehört sie mit zu unserem Profil.
Gerade vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung und dem Finanzhaushalt des Landes wird befürchtet, dass an der Universität gekürzt wird. Sind diese Befürchtungen begründet?
Kürzungen wird es mit Sicherheit geben – die Frage ist, wie stark sie ausfallen. Der Wissenschaftsrat nimmt die gesamte Hochschullandschaft des Landes in den Blick. Interessant wird am Schluss der Evaluierung sein, ob lineare oder strukturelle Kürzungen anstehen. Die Befürchtungen, dass Bereiche außerhalb der Schwerpunkte stärker kürzungsgefährdet sind, sind wohl berechtigt.
Es gibt aber auch andere uns klar zugewiesene Aufgaben, die in der Lehre unverzichtbar sind, auch wenn sie keinen Forschungsschwerpunkt tangieren. Beim Komplex der Lehrerbildung etwa muss man ganz andere Maßstäbe anlegen.
Ist denn abzusehen, wie sehr sich das Land nach den Empfehlungen des Wissenschaftsrats richten wird?
Das vermag ich nicht vorauszusehen. Ich denke, dass man im Land davon ausgeht, dass man kürzen muss. Vom Wissenschaftsrat möchte man eine Legitimierung und eine Empfehlung, in welchen Bereichen solche Kürzungen erfolgen könnten.
Aber um das noch mal klar zu sagen: An der MLU führen wir im Moment keine Kürzungs-, sondern eine Profilierungsdebatte. Ich möchte jetzt erst einmal positiv herausgestellt wissen, wo unsere Stärken sind. Die Begutachtung durch den Wissenschaftsrat ist für unsere Profilbildung ein Test. Er hindert uns daran, uns ein Profil zu geben, das illusorisch ist. Unser Leitbild wird getestet sein.
Link zum Bericht über den Sondersenat am 21.12. 2012