Zuckersüße Forschung
Das ist natürlich alles eine Frage des Maßstabs. „Wenn man große Mengen herstellt, die gesamten Abläufe auf Förderbändern stattfinden, angefangen von der Rezeptur-Umsetzung bis zur Garnierung mit Zuckerstreuseln, muss verfahrenstechnisch alles optimal abgestimmt sein“, sagt Lehrstuhlinhaber Professor Joachim Ulrich, der als Kristallisationsexperte das Projekt betreut. So spricht er auch von einer durchaus anspruchsvollen wissenschaftlichen Herausforderung, die Qualitätssicherung bei der Massenproduktion aus verfahrenstechnischer Sicht unter die Lupe zu nehmen und der Wirtschaft Empfehlungen zu geben.
„Das fachliche Wissen, besser noch das stoffliche Wissen, ist nicht hinreichend für solche Vorgänge übersetzt“, sagt der 62-Jährige aus Beobachtung. Zucker ist nicht gleich Zucker. Neben der Saccharose, dem Zweifachzucker, tauchen hier auch die Zuckerbei- und Spaltprodukte, wie Glucose und Fructose als Einfachzucker auf. Durch die hydrolytische Spaltung des Zuckers von einem Disaccharid in ein Monosaccharid änderten sich auch die physikalischen Eigenschaften. Etwa die Dichte oder die Viskosität. „Wenn zum Beispiel die Lösung zäher wird, lässt es sich schwerer pumpen und der Zucker kann schlechter dosiert werden.
Bremst man die Kristallisationsneigung von Zucker oder verstärkt sie, hat das ebenfalls Auswirkungen auf den Produktionsprozess - genau wie die Korngrößen der Kristalle eine wesentliche Rolle spielen“, sagt Ulrich. „Wenn beispielsweise Zucker agglomeriert, sich quasi viele Körnchen zusammenlagern, würde man später auf große Zuckerklumpen beißen. Dann würde man nicht mehr Keks, sondern Zucker schmecken. Unsere Zunge nimmt alles, was gröber ist, als Einzelstoff wahr. So auch den Zuckerklumpen im Keks.“, vereinfacht er ein wesentliches Problem bei der Keksproduktion.
Mit solchen und vielen anderen Fragestellungen rundum den gezuckerten Keks beschäftigen sich Dr. Sandra Petersen und Stefanie Selbmann. Auch der Kooperationspartner „Griesson - de Beukelaer“ hatte Probleme im Produktions-Prozess angemeldet und holt sich nun bei den Wissenschaftlern Rat. „Die Anlage muss regelmäßig angehalten und gereinigt werden, weil die Zuckerlösungen dickflüssiger werden und die Pumpen an ihre Grenze kommen“, erzählt Dr. Sandra Petersen. Doch es geht nicht nur um schnelle Lösungen. „Wir versuchen generell die Problemstellungen zu abstrahieren, um einfach die Abläufe besser zu verstehen“, sagt Stefanie Selbmann. Das Wissen darüber fließe nämlich zugleich in ihre Doktorarbeit ein.
Die wissenschaftliche Leistung hat es dabei in sich. Die Erwartungen der Industrie sind dementsprechend hoch. So will die Firma „Griesson - de Beukelaer“ mithilfe der Ergebnisse den Produktions-Prozess einerseits besser verstehen, um sicher zu sein, wo sich die Technologie künftig hinbewegen wird. Außerdem geht es darum, Herstellungstechnologien weiter zu optimieren und die Umstellung auf neue Keks-Sorten in Massenfertigung verfahrenstechnisch zu vereinfachen. Das Forschungsprojekt am Zentrum für Ingenieurwissenschaften läuft zwei Jahre.