Einst ein „festes Schloss“, dann Alma Mater – fast
Die im Auftrag des Vereins für hallische Stadtgeschichte e. V. von Thomas Müller-Bahlke, Andreas Ranft und Holger Zaunstöck im Mitteldeutschen Verlag herausgegebene Reihe startete 2001, im Vorfeld des 1200-jährigen Stadtjubiläums, mit Band 1: „Halle zwischen 806 und 2006“. Seither offerierte sie ein vielgestaltiges Panorama der Geschichte der Stadt und wuchs auf beachtliche achtzehn Bände an – ein Ende ist, dank Stadthistorikern und Halle-Fans, nicht in Sicht.
Zwischen Ideal und Realität
Band 18 widmet sich der Moritzburg, und zwar (neben kurzen, rückschauenden Exkursen) vor allem jener Phase, in der ihr Auf- und Ausbau für die Alma Mater Halensis zur Debatte stand. Dass daraus letztlich nichts wurde, wissen wir inzwischen. Dennoch ist es interessant, die verschiedenen Für und Wider der Altvorderen näher zu betrachten, um ihr finales Nein zum Projekt von Karl Friedrich Schinkel und Carl Ferdinand Busse am Ende zu verstehen. Man ahnt, dass die Probleme von Stadtplanern vor knapp 200 Jahren denen von heute nicht unähnlich waren.
Dieter Dolgner stellt den über einige Jahre heiß diskutierte Plan, die Moritzburg in Halle zum Zweck einer universitären Nutzung umzubauen, in 19 Kapiteln nebst 462 Anmerkungen (die wohl vor allem Fachleute zur weiterführenden Lektüre animieren mögen) detailliert vor. Woher aber rührte die Idee überhaupt? Hatte doch die Fridericiana seit mehr als 100 Jahren ihr Domizil in der Ratswaage am Markt, und alle waren’s zufrieden. Es ging ja auch gut, bis Napoleon 1806 die Universitäten Halle und Wittenberg schließen ließ. Als aber 1817 die nunmehr „Vereinigte Friedrichs-Universität“ in Halle wiedereröffnet wurde, reichte das Waagegebäude nicht mehr aus; es war marode und längst viel zu klein. Vorlesungen in den Privatwohnungen der Professoren zu halten, das konnte doch auf Dauer keine Lösung sein.
So lag der Gedanke an einen akademischen Neubau nahe; bedeutende Universitätsvertreter, allen voran der Oberkonsistorialrat und Kanzler der Universität August Hermann Niemeyer, setzten sich vehement dafür ein. Am 13. Oktober 1823 richtete Niemeyer ein Immediatgesuch an den preußischen König Friedrich Wilhelm III. Ein eigenes universitäres „Verwaltungs-, Lehr-, Sammlungs- und Festhaus“ war sein Ziel, weil die damals gegenwärtige Situation „einer so blühenden Universität ganz unwürdig“ sei. Ihm schwebte zunächst etwas Ähnliches vor wie der kurz zuvor errichtete Prachtbau der „Loge zu den drei Degen auf dem Jägerberg – heute Sitz der Deutschen Nationalakademie Leopoldina, genau gegenüber der Moritzburg. Aber schon bald darauf wurde der Umbau der Moritzburg favorisiert.
Gründe, Gegengründe und ein ganz anderer Plan
Nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges hatte die Moritzburg in Halle vorrangig verschiedenen Erbpächtern als Lagerraum, Gartenanlage, sogar als Steinbruch gedient und war infolgedessen am Anfang des 19. Jahrhunderts zur Ruine verkommen. Nun also bot sich die Chance, das geschichtsträchtige Gemäuer umfassend instand zu setzen und einer neuen Bestimmung zuzuführen.
Das wachsende Interesse des preußischen Staates, hervorragende bauliche Zeugnisse der deutschen Geschichte zu erhalten, schien dieser Idee entgegenzukommen, zumal sie sich bald mit dem Namen des renommierten „Herrn Geheimen Ober Bauraths“ Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) verband. Dieser legte nach Vorleistungen anderer Architekten 1829 einen grandiosen Entwurf zur Nutzung der Moritzburg für die Universität Halle vor. Es gab viele Gründe, die dazu führten, dass dieses Projekt nie verwirklicht wurde; in erster Linie dürften es die prognostizierten Kosten gewesen sein. Im Herbst 1831 ließ man die diesbezüglichen Pläne endgültig fallen – zum Geburtstag des Königs am 3. August 1832 wurde der Grundstein für einen Neubau gelegt, nach Plänen des jungen Baukondukteurs Ernst Friedrich Zwirner (der sich später als Dombaumeister in Köln einen Namen machte). Der Neubau in Halle, 1836 fertig gestellt, ist bis heute als Löwengebäude bekannt. Denn die beiden Bronzelöwen von Johann Gottfried Schadow, die schon Jahrzehnte zuvor einen Brunnen auf dem Marktplatz schmückten (wo auch Heinrich Heine sie bewunderte), schenkte der Magistrat der Stadt der Universität: Seit 1868 zieren sie Freitreppe und Portal.
Autor und Pressestimmen
Dieter Dolgner, Jahrgang 1940, ist seit Jahrzehnten als Kunstwissenschaftler und Autor bekannt. Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2005 war er als Professor für Kunstgeschichte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenbergtätig. In der vorliegenden Studie schildert er diverse Pläne zum Umbau der Moritzburg, er geht dabei sowohl auf architekturhistorische Belange ein wie auf die unterschiedlichen Entscheidungsprozesse, die im steten Diskurs zwischen preußischer Krone, Verwaltung, Oberbaudirektion, Universität und nicht zuletzt den Pächtern Schinkels ambitioniertes Projekt scheitern ließen.
Kurz nach Erscheinen des Buches Ende 2011 vermeldete das HalleForum: „Der bekannte Kunsthistoriker Dieter Dolgner beleuchtet in seinem neuen Buch Die Moritzburg in Halle einen interessanten Aspekt der wechselvollen Geschichte der Moritzburg. Detailliert und faktenreich untersucht Dolgner das grandiose Projekt des preußischen Oberbaudirektors Karl Friedrich Schinkel zur Nutzung der Moritzburg für die hallische Alma Mater und belegt an zahlreichen Dokumenten und Unterlagen die Geschichte, Beschreibung und Wertung des Vorhabens. Die Moritzburg in Halle ist ein wichtiger Beitrag zur hallischen Stadtgeschichte, der nicht nur die Geschichte der Moritzburg abhandelt, sondern auch architektur- und kunstgeschichtliche Entwicklungen in der Universitätsstadt Halle skizziert.“
► Dieter Dolgner: Die Moritzburg in Halle. Karl Friedrich Schinkels Projekt zum Auf- und Ausbau für Universitätszwecke, Band 18 der Forschungen zur hallischen Stadtgeschichte, 272 Seiten, viele Farb- und Schwarz-Weiß-Abbildungen (darunter Grundrisse, architektonische Entwürfe, historische Fotografien und Gemäldereproduktionen), Halle 2011, 24,00 Euro, ISBN 978-3-89812-858-2.