Frauenstudium in Halle: Broschüre von Maike Lechler neu aufgelegt
Die Autorin Maike Lechler war zur Zeit der Entstehung der Broschüre Masterstudentin der Musikwissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Im Februar 2014 hat sie die Frauenstammtische ins Leben gerufen, aus denen sich dann im Juni 2014 das Studentinnennetzwerk etabliert hat. Als stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte ihrer Fakultät hat sie sich aktiv für die Rechte der Studentinnen eingesetzt.
Mit viel Akribie hat Maike Lechler die verschiedensten Informationen zum Frauenstudium in intensiver Archivarbeit zusammengetragen. Rückblickend anhand eines Zeitstrahls, der von 1600 bis 1950 reicht, beleuchtet sie exemplarisch den schwierigen Weg, den einzelne Frauen zurücklegen mussten, bis das weibliche Geschlecht allmählich in den Wissenschaften akzeptiert wurde.
Acht Meilensteine mit wichtigen Ereignissen für die Frauenbewegung säumen diesen Weg, hier jeweils untermauert mit Beispielen aus Halle:
1) Dorothea Erxleben wurde 1754 als erste Frau in Deutschland an der Universität im Fach Medizin promoviert. Weil ihre Kollegen in Quedlinburg sie fortwährend schikanieren, holt sie sich die persönliche Genehmigung von König Friedrich II. von Preußen zur Verleihung des Doktors der “Arzeneygelahrtheit“ ein.
2) Hildegard Wegschneider, geb. Ziegler, absolviert 1895 als erste Frau das preußische Abitur und erhält die Erlaubnis, Vorlesungen an der Universität Halle zu besuchen. Sie wird 1897 promoviert, arbeitet als Lehrerin in Berlin, muss aber nach ihrer Eheschließung aufgrund des Berufsverbots ihre Lehrtätigkeit aufgeben. Nach ihrer Scheidung zieht sie jedoch als eine der ersten Frauen in den Preußischen Landtag ein.
3) 1896 lässt die Universität Halle erstmals Frauen als Gasthörerinnen zum Medizinstudium zu. Im Jahr 1901 studieren bereits 29 Frauen. (Die Universität Zürich ermöglicht Frauen seit 1871 das Medizinstudium.)
4) Als erste Studentin in Halle schreibt sich 1908 Gertrud Küster, geb. Winkelmann, in Naturwissenschaften und Kunstgeschichte ein. (An badischen Universitäten bestand das Immatrikulationsrecht bereits seit 1900.)
5) Der erste Studentinnenverein gründet sich 1909 in Halle.
6) Die Universität Halle habilitiert 1923 als erste Frau die Indologin Betty Heimann. Trotz 24 eingeholter Gutachten in den Jahren 1929 bis 1931 ernennt man sie aber nicht zur Professorin. Die Erniedrigungen, die sie in Halle hinnehmen muss, sind beschämend, erschreckend ist der Herdentrieb unter den Professoren. Im Jahr 1933 entzieht man ihr als Jüdin die Lehrbefugnis. Sie unterrichtet anschließend in London und baut von 1946 an auf der Insel Sri Lanka das Sanskrit-Department an der Universität in Colombo auf.
7) Erste Professorin und Dekanin in Halle wird 1948 die Zoologin Paula Hertwig. Sie ist damit die erste Frau, die einen Ruf als Professorin an die hallesche Universität erhält und die erste Dekanin einer Fakultät in Deutschland.
8) 1949 wird mit Gertrud Schubart-Fikentscher die erste Professorin der Rechtswissenschaften im deutschsprachigen Raum an die hallesche Universität berufen.
Im Zeitstrahl „Nach vorn“ von 1950 bis 2007 trägt Maike Lechler die wichtigsten Ereignisse für die Verbesserung der Stellung der Frauen zusammen, dazu gehört etwa, dass ab 1953 die Zölibatsklausel, das Berufsverbot für verheiratete Frauen, aufgehoben wird oder 1970 das Fußballverbot für Frauen durch den DFB entfällt.
Es folgen Zukunftsvisionen von Studierende zur Rolle der Frau an der Universität Halle und in der Wissenschaft - mit Verbesserungsvorschlägen. Ein Ausblick von Dr. Kathrin Hirschinger, Gleichstellungsbeauftragte der Universität, macht deutlich, dass es noch einiges zu tun gibt, um Chancengleichheit auch im Beruf herzustellen. Sie verweist darauf, dass zwar heute etwa die Hälfte aller Studierenden weiblich ist, dennoch aber prozentual weniger Frauen unter den Professoren zu finden sind – an der Uni Halle zurzeit nur ca. 18 Prozent.
Die Gleichstellung an deutschen Hochschulen liegt also noch in weiter Ferne. Über Jahrhunderte gewachsene, patriarchalisch zählebige Denkstrukturen aufzubrechen, gestaltet sich höchst schwierig. Rollenzuschreibung und Erwartungen halten eine Machtstruktur aufrecht, die noch immer zu einer Ungleichwertigkeit der Geschlechter führt. Die großen sozialen Umbrüche, die das digitale Zeitalter mit sich bringt, zwingen uns derzeitig alle zum Umdenken und bieten auch eine Chance, die Stellung der Frau neu auszuloten und an den Universitäten ein harmonisches Verhältnis zwischen Yin und Yang anzustreben.
Prof. Dr. Gretel Schwörer-Kohl ist Musikethnologin an der Universität Halle
Die Broschüre „Rückblickend – Nach Vorn. Frauenstudium in Halle – damals und heute“ ist im Gleichstellungsbüro der Universität, Barfüßerstraße 17, kostenlos erhältlich. Kontakt und Zeiten: www.gleichstellung.uni-halle.de