Halle und Magdeburg – Rechtszentren im Mittelalter
Jüngst erschien Band 19: „Halle im Licht und Schatten Magdeburgs. Eine Rechtsmetropole im Mittelalter“. Er stellt die Beiträge des Stadtgeschichtstages 2011 vor. Da geht es um das hallesche Stadtrecht, seine mittelalterlichen Wurzeln und die Position in der Magdeburger Stadtrechtsfamilie; so wird zugleich seine bis heute nachweisbare europäische Wirkkraft gezeigt. Juristen und Germanisten der Universitäten Bayreuth, Berlin, Halle, Leipzig, Passau und Zürich sowie anderer Wissenschaftseinrichtungen waren auf diesem widersprüchlichen, rechtsgeschichtlichen Forschungsfeld zugange, das auch vom Herausgeber dieses Bandes, Heiner Lück, seit vielen Jahren beackert wird.
Sein Artikel im vorliegenden Band trägt den Titel „sollen alle dy von Polen unde die von Behemen … ir recht zu Halle holen“. Es werden Quellen herangezogen, die zur Bestimmung des Standortes von Halle – der „Tochterstadt“ – in der Stadtrechtsfamilie geeignet sind, den Rang Magdeburgs als „Mutterstadt“ eines der bedeutendsten Stadtrechte Europas zu belegen und die Verbreitung des Magdeburger Rechts in Ostmitteleuropa zu bezeugen.
Was „Ms 950“ bedeutet, weiß jeder, der sich für Rechtsgeschichte im mitteldeutschen Raum interessiert. Die so benannte Sammelhandschrift enthält auf Halle bezogene juristische Texte, die zum Teil in der bisherigen Forschung ignoriert worden sind. „Unbeachtete hallische Elemente“ heißt der Beitrag von Christoph Mackert (Leipzig). Er hat die im Bestand der Sondersammlungen der Universitätsbibliothek Leipzig befindlichen 294 Blatt von Ms 950 unter die Lupe genommen. Dabei stieß er u. a. auf der letzten Seite des Registers zum Sachsenspiegel-Lehnrecht auf eine sehr frühe Darstellung des hallischen Stadtwappens, die vermutlich im 15. Jahrhundert entstand. Diese spricht für die Lokalisierung von Ms 950 nach Halle und ist, von Siegeln und Steinskulpturen einmal abgesehen, vielleicht sogar die älteste ihrer Art.
Henning Steinführer (Braunschweig) geht in „sub Hallensi et Magdeburgensi iure“ der Frage nach, ob der bis heute umstrittene Leipziger Stadtbrief – der wahrscheinlich aus der Zeit zwischen 1156 und 1170 stammt – möglicherweise eine Quelle früher Rezeption Magdeburger und hallischen Rechts darstellt.
Stephan Dusil (Zürich) analysiert den Forschungsstand zum Thema „Das hallische Stadtrecht und seine Verbreitung im Mittelalter“. Eingangs liefert er exakte Begriffsklärungen; es folgen historiographische Aspekte zur Forschung im 19. und 20. Jahrhundert; Vergleiche zu anderen Stadtrechtsfamilien werden gezogen.
„Der Roland von Halle – ein Rechtssymbol?“ heißt der Beitrag von Dietlinde Munzel-Everling (Wiesbaden), mit 40 Seiten (davon 10 Seiten Anmerkungen) der umfangreichste. Er behandelt, mit zahlreichen Illustrationen versehen, nicht nur die Geschichte der hallischen Rolandsfigur, sondern bietet viele Informationen zu jenem treuen Gefolgsmann Karls des Großen, der als „miles Christi“ im 8. Jahrhundert den Ursprung der allgemeinen Roland-Verehrung bildete. Ausführlich werden verschiedene Arten der Rolande und ihre Bedeutung für die „Rolandstädte“ dargelegt.
Ulrike Müßig (Passau) widmet sich den „Verfügungen von Todes wegen in den Hallischen Schöffenbüchern“, die aus dem 13. Jahrhundert stammen, insbesondere den darin enthaltenen Festlegungen zum Erbrecht bis hin zur „Hallenser Spruchpraxis des 15. Jahrhunderts“. Das Verhältnis zwischen Sachsenspiegel und Magdeburger resp. Halle-Neumarkter Recht spielt ebenfalls eine Rolle. Letzteres steht zudem im Fokus der Beiträge von Bernd Kannowski (Bayreuth) und Wieland Carls (Leipzig): „Der hallische Schöffenbrief für Neumarkt von 1235“ und „Zur Verbreitung des Halle-Neumarkter Rechts in Schlesien“.
► Heiner Lück (Hg.): Halle im Licht und Schatten Magdeburgs. Eine Rechtsmetropole im Mittelalter, Forschungen zur hallischen Stadtgeschichte, Band 19, Halle 2012, 208 Seiten, 25,00 Euro, ISBN 978-3-89812-969-5