Humor in Zeiten der Krise
Ausgangsbeschränkungen, wenig Kontakt zu anderen Menschen, die Angst vor dem Virus: Die derzeitige Situation verlangt allen Menschen psychisch einiges ab. Ein Mittel, dem entgegenzuwirken, ist Humor. Es gibt beispielweise Studien, die zeigen, dass die Schmerztoleranz nach dem Erleben positiver Emotionen höher ist. Wichtig ist, dass es sich um echte Erheiterung handelt, die zum Beispiel durch das Ansehen eines lustigen Films ausgelöst werden kann. Und es gibt Hinweise, dass Humor beim Umgang mit depressiven Stimmungen helfen kann. Man könne in der derzeitigen Krise aktiv nach Dingen suchen, die einen zum Lachen bringen, und sei es nur, sich abends eine Komödie anzuschauen, schlägt Prof. Dr. René Proyer vom Institut für Psychologie vor. Er erforscht seit Jahren das Potential von Humor und Verspieltheit. In angespannten Situationen, die leicht zum Streit führen, könne man versuchen, mal etwas Unerwartetes zu machen, was den anderen zum Lachen bringt. „Das kann den Druck rausnehmen.“ Auch das Internet biete in diesen Zeiten viel humorvolles Potential, weil Menschen sehr kreativ etwa mit dem Thema Homeoffice umgingen. „Es gibt schon jede Menge Videos, wo zum Beispiel jemand nicht merkt, dass die Kamera eingeschaltet ist oder dass im Hintergrund irgendwas passiert.“
Proyer rät jedoch auch dazu, sensibel zu sein, was jemand lustig findet und was nicht. „Man muss im Hinterkopf behalten, dass Humor ganz viele verschiedene Dinge bedeutet“, sagt er. Manche Menschen mögen beispielsweise Ironie, andere bevorzugen simplere Formen. Und auch wie Menschen auf Humor reagieren, ist sehr unterschiedlich. „Manche freuen sich regelrecht darüber, ausgelacht zu werden“, sagt Proyer. Wieder anderen bereite es Vergnügen andere auszulachen. Und eine dritte Gruppe reagiere ablehnend, habe Angst davor, ausgelacht zu werden. Haben zwei Menschen in einer Partnerschaft unterschiedliche Präferenzen, kann das zu Problemen führen. „Wir konnten bereits zeigen, dass das beispielsweise Auswirkungen auf die Länge der Partnerschaft hat“, so Proyer. „Wenn einer eine bestimmte Art Humor hat, die den Partner nicht erheitert, dann sollte er diesen lieber alleine ausleben.“ Weniger förderlich für das Wohlbefinden, aber auch nicht schädlich, seien hingegen die „dunklen“ Formen des Humors, etwa Sarkasmus.
Proyer beschäftigt sich in seiner Forschung zudem intensiv mit Verspieltheit, worunter er den spielerischen Umgang untereinander, aber auch beispielsweise Gedankenspiele versteht. „Verspieltheit war früher nur etwas für Kinder“, sagt Proyer. Um deren Auswirkungen im Erwachsenenalter habe man sich in der psychologischen Forschung wenig gekümmert. Diese Lücke will Proyer schließen. „Wenn ich etwas Neues entdecken will, muss ich das vorher in Gedanken durchspielen, deswegen hat Verspieltheit auch eine intellektuelle Komponente.“ In einer Beziehung würden verspielte Menschen ihren Partner häufiger mal mit etwas Neuem überraschen, was laut seinen Studien die Zufriedenheit mit der Partnerschaft erhöhen kann. Verspieltheit scheint jedoch nicht nur eine Beziehung glücklicher zu machen, sondern ebenso wie Humor das eigene Wohlbefinden zu stärken. Und auch Verspieltheit lässt sich offenbar fördern: In einer aktuellen Online-Studie forderte Proyer die Teilnehmer beispielsweise dazu auf, drei verspielte Dinge, die über den Tag passiert waren, zu notieren oder Verspieltheit auf neue Art und Weise zu nutzen. So werden Denkmuster aufgebrochen und es hilft, kreative Lösungen zu finden. Positive Effekte zeigten sich vor allem dann, wenn verspielt mit anderen interagiert wurde.
Auch in der aktuellen Situation könne es helfen, den Alltag verspielter anzugehen. „Ich schaue mir da viel von meiner fünfjährigen Tochter ab“, sagt Proyer. Damit es ihr nicht langweilig wird, versuche er Routinen zu brechen, indem er sich zum Beispiel mit ihr zum Essen unter den Tisch setzt, um sie zum Lachen zu bringen. „Es ist nicht ideal für den Rücken eines Erwachsenen, muss ich aber einschränkend sagen.“
Natürlich könnten Humor und Verspieltheit keine grundsätzlichen Probleme lösen, etwa die Angst vor Arbeitsplatzverlust oder auch vor einer Ansteckung, betont Proyer. Existentielle Probleme müssten als solche anerkannt werden. Gleichzeitig stelle der Fokus auf Humor und Verspieltheit kein Leugnen der Realität dar, so der Psychologe. „Manchmal kann man aber vielleicht auch erst im Nachhinein über etwas lachen.“ Er gehe schon davon aus, dass Menschen, die verschiedene Arten von Humor besitzen oder verspielter sind, dies als Bewältigungsstrategie in schwierigen Zeiten nutzen könnten. „Beide Eigenschaften können die Resilienz, die psychische Widerstandskraft stärken.“