Liberalisierung unter Tage
Wenn sich jemand mit der Geschichte des Bergbaus in Deutschland beschäftigt, kommt er an Halle nicht vorbei. Seit dem Jahr 1714 wurden die preußischen Bergbauangelegenheiten von der Saalestadt aus verwaltet. „Hier befand sich die wichtigste Behörde für die Koordinierung des preußischen Bergbaus“, sagt Professor Heiner Lück. Das spätere königlich-preußische Oberbergamt hatte seinen Sitz zunächst am Domplatz.
Von 1884 bis 1946 war das Amt dann in der August-Bebel-Straße 13 angesiedelt, dem heutigen Standort des Verwaltungsgebäudes der Universitäts- und Landesbibliothek. „Ein Blick auf die Fassade des Gebäudes ist sehr aufschlussreich“, sagt der Rechtshistoriker Lück. „Dort sind bis heute Schlägel und Eisen als die unverwechselbaren Symbole des Bergbaus zu entdecken.“
Ein zukunftsträchtiges Gesetz
In der Mitte des 19. Jahrhunderts vollzog sich im Zuge der Industrialisierung eine Reformierung von Verwaltung und Staat. In diesem Kontext wurde auch das Bergwesen umgestaltet. Sehr bald wurden daraufhin in parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren zeitgemäße Berggesetze erlassen, welche für alle Bergbaugegenstände galten. Das preußische Allgemeine Berggesetz stammt aus der Feder des Bonner Oberbergrates Wilhelm Brassert und war in vielerlei Hinsicht bahnbrechend. Mit ihm etablierte sich das sogenannte Inspektionsprinzip, welches das ältere Direktionsprinzip ablöste. Es besagt, dass der Staat nur noch sehr wenige Zugriffsrechte auf die Gestaltung des Bergbaus hat, zum Beispiel auf die Überwachung der Arbeitsschutzvorschriften.
Staatliche Interessen sollten eingedämmt werden
Von den unternehmerischen Aspekten wurde der Staat nun per Gesetz ferngehalten. „Der Staat war bis zur Etablierung des Gesetzes die beherrschende Institution des Bergbaus – ein Faktum, das der freien wirtschaftlichen Entfaltung der Bergbauunternehmen wenig förderlich war“, sagt Heiner Lück. „Ab 1865 fand eine flexiblere unternehmerische Entfaltung des Bergbaus statt. Außerdem regelte das Gesetz die Bergschadensproblematik – ein Thema, das uns noch heute beschäftigt“, so der Rechtshistoriker.
Das Berggesetz war zu seiner Zeit sehr zukunftsträchtig und gut durchdacht. „Daher wurde es von anderen deutschen Ländern übernommen und galt noch nach 1945 im Westen und Osten Deutschlands. Die Grundlinien des Berggesetzes lassen sich noch heute in den modernen Bergrechten wiederfinden.“ Es regelte unter anderem, welche Rechte Finder, Grundstückseigentümer und Bergbauunternehmer für sich beanspruchen konnten.
Auch die Rechte des Staates legte man diesbezüglich neu fest. Lück: „Es geht beim Bergrecht nicht nur um Recht. Es besteht auch eine enge Verbindung mit der Wirtschafts- und Sozialgeschichte.“ Wirtschaftliche Interessen spielten eine große Rolle. Dabei ging es auch um Arbeitsplätze und die materielle Absicherung der Menschen, insbesondere im Alter und nach Unfällen. Regelungen aus dem Bergbau wirkten sich auch auf die Gestaltung des modernen Arbeitsrechts aus.
Bergrecht und Halloren
Ein Bergrecht, welches die Rechte zur Förderung des Salzes regelte, lag auch im Interesse der Halloren. „Hier gibt es viele Parallelen zum Bergbau und damit zum Berggesetz“, sagt Heiner Lück. Der Brüderschaft der Salzwirker im Thale zu Halle, deren Schwager Heiner Lück ist, kamen effiziente bergrechtliche Regelungen sehr entgegen. Die Forschungen zum Bergrecht, wie Lück sie betreibt, sind wenig bekannt. „Das ist sehr schade, denn es ist ein Feld, dessen historische Wurzeln uns bis heute beeinflussen. Mein Ziel ist es daher, diese Forschungen mehr in den Blick der Öffentlichkeit zu stellen“, sagt der Rechtshistoriker.
Ein umfassender Beitrag aus seiner Feder kann seit April 2015 in Band 2 des Handbuchs „Geschichte des deutschen Bergbaus“ (Hrsg. Klaus Tenfelde u.a.) nachgelesen werden. Hierfür studierte Lück viele alte Dokumente und Rechtstexte aus der Frühen Neuzeit und dem Zeitalter der Industrialisierung. Weitere Informationen zur Publikation unter http://lueck.jura.uni-halle.de