Restaurierung mit Ausblick am Apollontempel in Didyma
Mit einer Gesamthöhe von fast 20 Metern handelt es sich um die einzigen der 49 ehemals fertiggestellten Säulen, die zahlreiche Erdbeben und anderweitige Zerstörungen nicht zu Fall bringen konnten. Während ihr unteres Drittel bis zu ihrer Freilegung zwischen 1906 und 1913 im Schuttberg verborgen lag, waren die herausragenden Säulenschäfte mit ihren Kapitellen und die erhaltenen Architrave – Horizontalbalken – über den beiden Nordsäulen seit der Antike ungeschützt Wind und Wetter ausgesetzt. Die in diesem Sommer aufgestellten Gerüste waren Voraussetzung für die Durchführung dringend notwendiger Konservierungsmaßnahmen, die im Rahmen des Kulturerhalt-Programms des Auswärtigen Amtes und mit Genehmigung des Ministeriums für Kultur und Tourismus der Republik Türkei vom Deutschen Archäologischen Institut und der MLU realisiert wurden.
Seit 1992 werden die Baureste des Apollontempels in Didyma zwar kontinuierlich auf Grundlage eines langfristigen Konzeptes von einem etablierten Steinmetzteam konsolidiert, von den drei erhaltenen Säulen aber konnten bisher nur die unteren Bereiche in diese Arbeiten einbezogen werden. Erst jetzt, im Jahre 2021, wurden nun auch die drei aufrechtstehenden Säulen durch über 20 Meter hohe Gerüsttürme berührungsfrei umbaut und damit erstmals bis zum Architrav für eine genaue Autopsie zugänglich gemacht. Wie dringlich und umfangreich die anhand vorausgehender Drohnenaufnahmen nur ungenau einzuschätzenden Schäden an Säulentrommeln, Kapitellen und Architraven sind, wurde gleich bei den ersten Begehungen deutlich, da insgesamt an mehr als 60 Punkten Schäden festzustellen waren. Nach einer Kategorisierung dieser Schäden wurde ein Maßnahmenkonzept entwickelt, das ein abgestuftes Vorgehen beinhaltet. Einmal mehr zeigte sich hier die Effizienz bei der Analyse der Schäden und der Bestimmung der jeweils angemessenen Vorgehensweise durch das Zusammenwirken verschiedener Fachkompetenzen eines deutsch-türkischen Teams, bestehend aus den Steinmetzen mit ihrer langjährigen Erfahrung, einem Bauingenieur und mehreren Bauforscher*innen und Archäolog*innen.
Auch wenn die Konsolidierung der Säulen - also die Reparatur und Sicherung des antiken Baubestandes - im Vordergrund steht, war mit ihrer Einrüstung nun erstmals auch die Gelegenheit gegeben, diese aus unmittelbarer Nähe zu betrachten und zu untersuchen. Möglich war damit nicht nur eine genauere Dokumentation und Vermessung (3D-Vermessung, Structure from Motion), durchgeführt von der Technischen Universität Berlin (Fachgebiet Historische Bauforschung), sondern beispielsweise auch eine Aufnahme der an der unfertigen Säule noch erhaltenen Zahlzeichen durch Epigraphiker (Österreichische Akademie der Wissenschaften). Darüber hinaus eröffnete sich die einmalige Chance, über verschiedenste Fragen zum Bauvorgang Aufschluss zu gewinnen, wie zum Beispiel bautechnische Details oder den Stand der Ausführung zum Zeitpunkt der Aufgabe des Bauprojektes Apollontempel, der innerhalb einer mehr als 600-jährigen Bauzeit niemals vollendet wurde. In dieser Hinsicht offenbarten die Säulen bereits jetzt unerwartete Befunde. Schließlich war die Überraschung auch groß, als auf der sechsten Säulentrommel eingeritzte Zeichen entdeckt wurden, die verraten, dass sich auf dieser Höhe 1835 ein Besucher namens LEE[?]LOCH verewigen konnte. Dieses aus heutiger Sicht fragwürdige Verhalten liefert nicht nur Hinweise auf die Zugänglichkeit der Ruine bis zu ihrer Freilegung, sondern eine bereits damals durchaus übliche touristische Praxis. Wesentliches Ziel der aktuellen Arbeiten ist die nachhaltige Bestandssicherung eines der herausragendsten Bauwerke der Antike, das es als Kulturerbe für zukünftige Generationen zu bewahren gilt.
Die Autorinnen
Die Leitung und Organisation der Grabungen und Forschungen in Didyma liegt in den Händen von Prof. Dr. Helga Bumke – wesentlich unterstützt von Dr. Aylin Tanrıöver – vom Lehrstuhl für Klassische Archäologie des Institutes für Kunstgeschichte und Archäologien Europas sowie des Institutes für Altertumswissenschaften.
Prof. Dr. Elgin von Gaisberg ist Bauforscherin (TU Berlin, Fachgebiet Historische Bauforschung), Duygu Göçmen wirkt als Architektin am Deutschen Archäologischen Institut (Zentrale Berlin, Architekturreferat).
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