Steine tragen Botschaften aus der Bronzezeit
„Die Chancen für den Unesco-Titel stehen gut“, sagt Sachsen-Anhalts Landesarchäologe Dr. Harald Meller, der zugleich Honorarprofessor an der Universität Halle ist. „Voraussetzung ist aber eine umfangreiche wissenschaftliche Dokumentation der Bilder.“
Die Fundstätte im armenischen Hochland, auf etwa 3.000 Meter gelegen, ist seit den fünfziger Jahren bekannt. Unter Federführung des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften der Republik Armenien sowie der Universitäten Jerewan und Halle nahm sich ab 2012 eine Forschergruppe um Harald Meller der weltweit einzigartigen Funde an und dokumentierte bislang weit über 5.000 Petroglyphen, d.h. Felsbilder. Das ist allerdings nur ein Bruchteil der prähistorischen Schätze,bei denen es sich um mehrere Zehntausende handelt.
Wissenschaftler, Studenten und Vermessungsingenieure begaben sich in die Felsbildregion und entwickelten für ihre Forschungen eine völlig neue Aufnahmemethodik. Eine ferngesteuerte Drohne leistete den Experten unverzichtbare Dienste und half, das Gebiet – versehen mit Messmarkierungen – exakt zu fotografieren. „Wir haben Fotos von den einzelnen Felszeichnungen aufgenommen, Geländemodelle und Kartierungen angefertigt und die Funde dokumentiert“, so Meller.
Entlang der Zugrouten von Jägern und Hirten
Beeindruckend sei die gute Qualität der Felsbilder. Interessant sei auch, dass die Figuren von Schneeleoparden, Hirschen, Steinböcken, Ziegen, Bären und Menschen auf ihre charakteristischen Merkmale beschränkt seien, so der Archäologe. Äußerst schwer sei es allerdings, die Malereien zu datieren. Sie sind mehrheitlich wohl in die Bronzezeit einzuordnen, darauf weisen einige spezifische Symbole und Darstellungen von charakteristischen Wagen und Waffen hin. Allerdings lassen sich tatsächlich ältere und jüngere Darstellungen nicht ausschließen.
Dabei geben aber auch die geheimnisvollen Bilder selbst Anhaltspunkte. In einer Typologie erfassen die Experten, welches Tier wie oft und in welcher Kombination abgebildet ist und versuchen so, Inhalt und Kontext der Zeichnungen zu enträtseln.
Außer den sehr häufigen Tiermotiven sind Schwertkämpfer, Bogenschützen oder übermenschliche Wesen, etwa Schamanen, dargestellt – ebenso wie Wagen und abstrakte Symbole. Möglicherweise kennzeichnen die einzigartigen Felsbilder wichtige Orte von Nomaden, Jägern und Hirten bis in die 1960er Jahre, worauf einige der Inschriften schließen lassen. Entlang ihrer Zugrouten hinterließen die Hochlandnutzer während der Sommermonate ihre eingemeißelten Botschaften in den Lavablöcken.
Die Forscher fanden heraus, dass sich die Felsbilder insbesondere neben den Wasserwegen aneinander reihen, die durch Schmelzwasserseen, -flüsse und Quellen entstanden. Es sind zugleich die Wege, auf denen Halbnomaden ihre Herden im Sommer auf die Weide trieben und lagerten. Mitte September 2014 beendeten die Wissenschaftler die Aufnahme der Felsbildregion vor Ort in einer dritten und vorerst letzten Kampagne.
Ziel ist zunächst die vollständige akribische Erfassung der ausgewählten Gebiete nach allen beteiligten Disziplinen wie Archäologie, Geologie, Topographie, Vulkanologie und Archäometrie. Die Dokumentation und Präsentation der Felsbildregion ist zugleich Voraussetzung für eine spätere umfassende Auswertung und somit die Grundlage für die Bewerbung um den Welterbe-Titel. Zahlreiche vergleichbare mitteleuropäische Felskunststätten tragen bereits das Prädikat Welterbe der Unesco. Syunik wäre neben Goubustan in Aserbaidschan der zweite Vertreter aus dem Kaukasus.
Ausstellungen in Armenien, Berlin und Halle
Erstmals zeigte das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie 2013 einem breiteren Publikum Ergebnisse der Forschungen im Rahmen einer Ausstellung im Lichthof des Auswärtigen Amtes in Berlin, das die Forschungen der vergangenen Jahre innerhalb des Projekts zum Kulturerhalt maßgeblich unterstützt hat. Im März 2014 waren auch im halleschen Ratshof unter dem Titel „Bilder für die Ewigkeit – Petroglyphen im Hochland Armeniens“ auf zwölf Lesetafeln Fotografien und Texte über Ausgrabungen und Funde prähistorischer armenischer Felskunst zu sehen. Weitere Ausstellungen in Jerewan und Sissian folgten im Sommer 2014 auf Initiative der Deutschen Botschaft in Armenien.
Sachsen-Anhalt vertritt Deutschland bei der kulturellen Zusammenarbeit mit Armenien seit 1996 auf der Grundlage eines Kulturabkommens der Bundesrepublik mit der Republik Armenien. Nun helfen Sachsen-Anhalter den Armeniern, in den nächsten Jahren den Weltkulturerbe-Titel zu erringen.