Tagebuch in der Pandemie: Coaching hilft Studierenden

28.10.2021 von Katrin Löwe in Wissenschaft, Campus, Studium und Lehre
Coachings können Studierende auch in einer relativ kurzen Zeitspanne dabei unterstützen, sich besser auf Änderungen einzustellen, wie sie die Corona-Pandemie mit sich gebracht hat. Das ist das zentrale Ergebnis einer Studie, die Forschende der MLU gemeinsam mit einer österreichischen Wissenschaftlerin durchgeführt haben. Studierende haben dafür drei Wochen lang ein Corona-Tagebuch geführt.
Studieren von Zuhause: Corona hat einige Veränderungen und neue Belastungen mit sich gebracht, bevor die Rückkehr zur Präsenzlehre möglich wurde.
Studieren von Zuhause: Corona hat einige Veränderungen und neue Belastungen mit sich gebracht, bevor die Rückkehr zur Präsenzlehre möglich wurde. (Foto: Matthias Ritzmann)

Wohnung statt Hörsaal: Für Studierende hat die Corona-Pandemie zahlreiche Veränderungen und eine höhere Belastung mit sich gebracht. Lernkonzepte wurden auf den Kopf gestellt, der komplette Alltag musste ständig neu strukturiert und an die Pandemie-Lage angepasst werden. Die Frage, wie sie dabei unterstützt werden können, stand im Zentrum einer kleinen Studie des Lehrstuhls für Personalwirtschaft und Business Governance der MLU. „Wir wollten sehen, inwiefern sich durch ein Coaching sowohl das kreative Selbstvertrauen als auch das agile Verhalten der Studierenden verändert“, sagt Christian Hoßbach – also der Glaube daran, gute Ideen für das eigene Studium entwickeln zu können, und auch die Fähigkeit, sich proaktiv an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Das Ergebnis: Die innerhalb der Studie angebotene Form des Coachings war dazu geeignet, auch in einer relativ kurzen Zeit von drei Wochen das Verhalten der Studierenden zu ändern.

Miriam Bachmann
Miriam Bachmann (Foto: Katja Dohnke)
Christian Hoßbach
Christian Hoßbach (Foto: Katja Dohnke)
Kristiana Roth
Kristiana Roth (Foto: David Thomas Pavlov)

Durchgeführt wurde die Untersuchung von Christian Hoßbach und Miriam Bachmann von der MLU zusammen mit Kristiana Roth von der FH Oberösterreich – alle drei promovieren am halleschen Lehrstuhl. Insgesamt wurden rund 60 Studierende verschiedener Fachrichtungen nach dem Zufallsprinzip in eine Interventions- und eine Kontrollgruppe eingeteilt. Beide Gruppen haben während des Lockdowns zum Jahresbeginn 2021 drei Wochen lang ein digitales Tagebuch geführt, in dem sie über ihren Studienalltag reflektierten: Was haben sie gemacht, wie lange haben sie studiert, mit wem haben sie interagiert und wie haben sich dabei gefühlt? Die Fragen konnten per App beantwortet werden, schriftlich oder zum Teil sogar per Sprachnachricht. So hielt sich der Aufwand mit etwa fünf Minuten pro Tag in Grenzen.

Die Mitglieder der Interventionsgruppe erhielten von Beginn an zusätzliche Fragen: Was hat ihnen an diesem Tag Freude bereitet, was für Herausforderungen gab es, in welchen Aktivitäten sind sie aufgegangen und was hat ihnen Energie gegeben? Auf dieser Grundlage wurde der Gruppe ab der zweiten Woche ein virtuelles Coaching angeboten. Dabei sollten die Studierenden lernen, aus der gezielten Reflexion ihrer individuellen Tagebuchdaten Impulse für die Gestaltung des Studienalltags abzuleiten. Ziel waren dabei nicht nur einzelne kurzfristige Anpassungen. Vielmehr sollte ein ganzheitliches Reflektieren der Studien- und Lebensplanung mit Hilfe verschiedener Kreativitätstechniken angeregt werden.

Genutzt wurde dafür auch die sogenannte Odyssee-Journey, eine Methode, mit der die Studierenden verschiedene Zukunftspläne entwickelten, die von den „üblichen“ abweichen: Wie sehen sie zum Beispiel ihre Zukunft in den nächsten fünf Jahren, wenn es keine zeitlichen oder finanziellen Beschränkungen gäbe, und wie würden sie ihr Leben umgestalten, um sich mehr der Art von Tätigkeiten aus ihrem Tagebuch zu widmen, in denen sie besonders aufgegangen sind? Diese gedankliche Erweiterung helfe nicht nur, die wirklichen persönlichen Prioritäten und Stärken zu identifizieren, so die Forschenden. Sie unterstütze auch dabei, sich nicht auf ein Ziel zu versteifen – so könne man besser mit Planänderungen, die es durch die Pandemie reichlich gab, umgehen. Aufbauend darauf sollten die Studierenden dann überlegen, was sie aus ihren möglichen Zukunftsvisionen für die Gestaltung ihres derzeitigen Studienalltags mitnehmen und wie sie beispielsweise ihre Aufgaben planen, Prioritäten setzen oder mit Fehlschlägen umgehen können.

Der Bedarf an Unterstützung sei da gewesen, sagt Miriam Bachmann, es seien einige nach den Coaching-Meetings länger geblieben, um zu reden. „Da war vieles, was unter der Oberfläche schwelte.“

Die Resultate des Coachings machten sich unter anderem ganz praktisch an der Tagesgestaltung der Studierenden bemerkbar: Bei der gecoachten Gruppe stieg die Zahl der positiven Erlebnisse – Freizeitaktivitäten oder ein schönes Essen –, je länger sie am Tag studierte. In der Kontrollgruppe war es genau umgedreht: Je länger sich die Teilnehmenden am Tag ihrem Studium widmeten, umso weniger positive, motivierende Aktivitäten gab es. Zudem haben sich Studierende in der Interventionsgruppe proaktiver an veränderte Rahmenbedingungen angepasst und wurden weniger durch Rückschläge oder herausfordernde Situationen beeinträchtigt. Insgesamt konnten in der gecoachten Gruppe positive Veränderungen im Bereich der Selbstführung, Resilienz und des kreativen Selbstvertrauens beobachtet werden.

„Mit den Ergebnissen kann man auch über die Pandemie hinaus arbeiten“, sagt Christian Hoßbach. Kristiana Roth biete an der Fachhochschule Oberösterreich jetzt zum Beispiel einen entsprechenden Kurs an. An der Uni Halle werde es im Sommersemester 2022 für Studierende der Wirtschaftswissenschaften einen Kurs „Design your Life“ geben, in den Erkenntnisse aus der Studie einfließen. Sowohl die app-basierte Datenerhebung als auch die Integration von Selbstführungs- und Kreativitätselementen in einem ganzheitlichen Coaching-Konzept unterscheide die Methode der Studie von klassischen Coaching-Ansätzen. Die Frage liege nun auch auf der Hand, so Miriam Bachmann, ob auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse noch weitere Angebote geschaffen werden können, um MLU-Studierende bei einer proaktiveren Gestaltung ihrer Studien- und Lebensplanung zu unterstützen.

Unterstützt wurde das Projekt durch eine Förderung der Dr. Hans-Riegel-Stiftung. Im kommenden Januar sollen die kompletten Ergebnisse inklusive tiefergehender qualitativer Auswertungen der Fachwelt vorgestellt werden.

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