Was Eurovision Song Contest und Balkan gemeinsam haben
„Schwerpunkte der Vorlesung sind die Ursprünge der populären Balkanmusik Anfang des 20. Jahrhunderts, die Folklorismus-Praktiken in den kommunistischen Regimen, die Beziehung von Popularmusik zu Politik und Nationalismus und die Rolle des Balkans bei den Eurovision Song Contests sowie das Phänomen der Balkan Beats“, so Pistrick. Das Besondere an der Vorlesung ist, dass sie in englischer Sprache angeboten wird. „Die Studenten können sich so ein bisschen in der fremden Sprache üben“. Daher wird auch die Klausur in Englisch geschrieben. Bevor jedoch die Prüfung ansteht, gab es erst noch eine Besonderheit. Dr. Catherine Baker von der University of Hull (UK), hielt einen Gastvortrag zum Thema „Popular Music as an instrument of ethnic conflict: lessons from the Yugoslav wars of the 1990s“.
In Halle ist die profilierte Forscherin das erste Mal. „Ich habe es immer genossen Deutschland zu besuchen, aber ich hatte noch nie die Möglichkeit nach Halle zu kommen. Ich war sehr erfreut, als ich die Einladung erhielt, nach Halle zu kommen.“ Dass sie der Einladung nach Halle folgen konnte, verdankt sie dem „Schroubek Fonds östliches Europa“, der einen Teil der Reisekosten übernommen hat. Doch Halle ist nur eine Station auf ihrer derzeitigen Vorlesungsreise. Zuvor war Dr. Baker schon in München. „Das Publikum in München war sehr bunt gemischt, da die Vorlesung auch der Öffentlichkeit zugänglich war“. Weiter geht es nach Newcastle und enden wird ihre Reise im April San Francisco. „Ich werde nicht nur über den Krieg in Jugoslawien sprechen, sondern es wird auch um die internationale Interventionen gehen“.
Die Vorlesung, die sie in Halle auch vor Doktoranden und Studierenden der Slawistik, der Ethnologie sowie vor einigen Angehörigen des Max-Planck-Instituts für ethnologische Forschung hielt, baut auf ihrer Doktorarbeit auf. „Wenn man populäre Musik und den öffentlichen Diskurs darüber versteht, kann man die Dynamik ethnopolitischer Konflikte verstehen.“
Für ihre Arbeit lebte Dr. Baker auch einige Zeit in Kroatien. „Ich war zwischen Juli 2006 und September 2007 drei Mal für längere Zeit hauptsächlich in Zagreb“. Dort sprach die Dozentin mit Musikern, einigen Leuten, die in der Musikindustrie arbeiten oder aber einfach nur Musik hören und dazu etwas sagen können. „Mein Schwerpunkt liegt auf dem weniger kommerziellen Showbusiness. Aber man kann nicht alles verwenden. Ich denke aber, dass meine Arbeit den individuellen Kontakt reflektiert, den ich vor Ort hatte“.
In ihrer Arbeit zeigt die Britin, welche entscheidende Rolle Musik in Konfliktsituationen spielen kann. Während des Krieges in Jugoslawien z.B. als ein Instrument der Demütigung, auch in Gefangenenlagern. Lieder können aber auch als Mittel der Abgrenzung zu anderen ethnischen Gruppen auf dem Balkan gesehen werden. „Musik wird als Symbol ethnischer Differenzen gesehen. Musik eignet sich perfekt dazu, Ideologien in die Gesellschaft zu transportieren.“
Dr. Catherine Baker, die selbst bedauert, dass sie nie gelernt hat ein Instrument zu spielen, ist aber nicht nur Spezialistin für den Konflikt auf dem Balkan. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich auch mit dem Eurovision Song Contest. Allerdings lässt sich auch hier eine Verbindung zu ihrer Arbeit finden. „Kroatien zeigte viel Engagement am Eurovision Song Contest teilzunehmen. Man wollte sich als unabhängigen Staat darstellen“. 1993 konnte Kroatien das erste Mal eigenständig bei dem Musikwettbewerb antreten. Mit ihrem Beitrag sandte die kroatische Gruppe „Put“ damals eine Friedensbotschaft in die ganze Welt. „Wenn man auf Kroatien schaut, kann man auch Aussagen über den Eurovision Song Contest im Allgemeinen treffen“, so Baker. Musik bildet als einen essentiellen Bestandteil, wenn man ethnopolitische Konflikte verstehen möchte. Wie die Vorlesung zeigte, kann man dafür bis zu den Ursprüngen der populären Balkanmusik Anfang des 20. Jahrhunderts zurück kehren.