Dr. Usus Zeitgeist: Die Nachhaltigkeit im Zeitgeist-Test

24.02.2012 von Corinna Bertz in Im Fokus, Varia
Jetzt hat also auch das Unimagazin die Nachhaltigkeit entdeckt. Mich als Dr. Zeitgeist beschäftigt das Thema schon seit Jahren. Wie jeden anderen dahergelaufenen Möchtegerntrend galt es, die Nachhaltigkeit auf ihre Zeitgeist-Tauglichkeit zu prüfen.
Der Zeitgeist, Jahrgang 1760, tauchte zuerst bei Johann Gottfried Herder auf. Auch Johann Wolfgang von Goethe setzte ihm ein Denkmal, indem er Faust vom „Geist der Zeiten“ sprechen ließ. Inzwischen wirkt er - unübersetzt oder als „spirit of the times“ - längst auch in der englischsprachigen Welt, Zeichnung: Oliver Weiss
Der Zeitgeist, Jahrgang 1760, tauchte zuerst bei Johann Gottfried Herder auf. Auch Johann Wolfgang von Goethe setzte ihm ein Denkmal, indem er Faust vom „Geist der Zeiten“ sprechen ließ. Inzwischen wirkt er - unübersetzt oder als „spirit of the times“ - längst auch in der englischsprachigen Welt, Zeichnung: Oliver Weiss

Diese Prüfung war hart, hatte ich mir doch vorgenommen, die Nachhaltigkeit an mir selbst zu testen. Im Winter ernährte ich mich also von Wurzelgemüse und auch im Sommer waren Kiwis und Bananen komplett gestrichen (die Flüge! das CO2!). Höchstens mit dem Paddelboot hätte ich mir meine geliebten Kiwis noch in Neuseeland abholen dürfen. Zwischen Haferbrei und Pastinakencremesuppe wurden die „Tage der nachhaltigen Ernährung“ in der Mensa zum kulinarischen Höhenpunkt. Meine Seminare hielt ich ab sofort im Sitzkreis bei Kerzenschein. Gestrichen waren natürlich auch das Fliegen und das Autofahren – es sei denn, ich fand vier Mitfahrer, die jeden Dienstag so wie ich von Halle nach Pasewalk fahren wollten.

Nach Strickkursen für den Mann, nach den ersten Versuchen mein Shampoo durch Lavaerde zu ersetzen , meine Wäsche mit Waschnüssen sauber zu kriegen und meine Zähne mit Miswak-Wurzeln zu putzen, nach intensiver Lektüre der einschlägigen Fachliteratur von H.D. Thoreaus „Walden oder Leben in den Wäldern“ über die Magazine „Biorama“, „Lilli Green“ und „Glocalist“ bis zur aktuellen Ausgabe von „Schrot & Korn“, nach alldem erkannte ich: Das reicht noch lange nicht, um den Schaden zu beheben, den meine damals noch überwiegend nachhaltigkeits-ignoranten Mitmenschen anrichteten.

"Kein Carbon Footprint war mehr übrig von mir!"
"Kein Carbon Footprint war mehr übrig von mir!" (Foto: B. Wilhelm)

Radikalere Schritte waren notwendig. Also wurde ich Frutarier und ernährte mich allein von Fallobst. Ich lehrte nur noch bei Tageslicht und minimierte meinen Wasserverbrauch auch bei der Toilettenspülung gewaltig („If it's brown, flush it down. If it's yellow, let it mellow.“). Jeder Teebeutel wurde mindestens fünfmal verwendet.

Zu guter Letzt verkaufte ich meinen Geschirrspüler, die Waschmaschine und schließlich auch alle anderen technischen Geräte. Von dem Geld konnte ich mir ein Stück Feld leisten, auf dem mein Schaf, zwei Windräder, drei Hühner, vier Obstbäume, zwölf Solarzellen, jede Menge Gemüse, ein gut durchlüfteter Komposthaufen und ein Rindenmulch-Bioklo Platz fanden.

Endlich war ich eins mit der Nachhaltigkeit – kein „Carbon Footprint“ war mehr übrig von mir! Ja, die Nachhaltigkeit war mehr als Zeitgeist-tauglich, sie war eine Entscheidung für’s Leben! Und da traf mich die Erkenntnis plötzlich wie ein Schlag: Ein nachhaltiger Zeitgeist wäre zur Norm gewordene Nachhaltigkeit und damit – mein eigener Tod!

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