Nicht die Nadel im Heuhaufen: Forscher suchen Steine auf Äckern

20.07.2021 von Ronja Münch in Wissenschaft, Forschung, Wissenstransfer
Drohnen gewinnen in der Landwirtschaft zunehmend an Bedeutung, um beispielsweise Pflanzenwachstum oder Schädlingsbefall zu überwachen. Geographen der Uni Halle erproben in einem Forschungsprojekt eine weitere Einsatzmöglichkeit: Drohnen sollen Steine auf Äckern erkennen, damit diese gezielt gesammelt und so Schäden an Erntemaschinen verhindert werden können.
Startklar für die Suche nach Steinen: Drohnen auf einem Acker in Mecklenburg-Vorpommern
Startklar für die Suche nach Steinen: Drohnen auf einem Acker in Mecklenburg-Vorpommern (Foto: Detlef Thürkow)

Als Kind vom Mecklenburger Land kennt Dr. Detlef Thürkow das Problem mit den Steinen. Zusammen mit seiner Schulkasse musste er die nämlich einst in Arbeitseinsätzen von den Feldern sammeln. Daran erinnerte er sich beim Brainstorming mit seinen Kollegen, als es um neue Forschungsprojekte zum Einsatz von Drohnen in der Landwirtschaft ging. Waren Steine immer noch so ein Problem? „Ich habe das am Anfang eher für eine Schnapsidee gehalten“, erzählt der Geoinformatiker. Doch Gespräche mit Landwirten zeigten ihm, dass die Steine auf den Äckern regelmäßig Schäden von mehreren tausend Euro an Landmaschinen verursachen und von Hand gesammelt werden müssen.

Inzwischen haben Thürkow und seine Kollegen, die Geographen Dr. Mike Teucher und Florian Thürkow, ein Projekt zur Erfassung der Steine gestartet. Es ist ein Teilprojekt von AgriSens DEMMIN 4.0, das sich insgesamt mit Fernerkundungstechnologien zur Digitalisierung im Pflanzenbau beschäftigt, vom Geoforschungszentrum Potsdam koordiniert und vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert wird. Auf einem Experimentierfeld im mecklenburg-vorpommernschen Demmin hat das Team des Instituts für für Geowissenschaften und Geographie der MLU bereits erste Testflüge veranstaltet. Die Forschenden wollen verschiedene Ansätze verfolgen, um die Steine mithilfe von Drohnenbildern aufzuspüren. Am einfachsten sei ein normales Kamerabild in RGB-Farben. Bei frisch umgepflügten Äckern lassen sich damit bereits einige Steine erkennen. „Allerdings ist der Farbunterschied zum Teil sehr gering und einige Steine werden so nicht erkannt“, sagt Teucher. Deswegen werden noch weitere Möglichkeiten erprobt: Thermalbefliegungen, also Wärmebild-Kameras, hochaufgelöste Lasermessungen und multispektrale Bilder, die auch den nahen Infrarotbereich abdecken.

Die Lasermessungen zur Analyse der Geländeoberfläche sind zwar zentimetergenau, jedoch aus Sicht der Forscher wegen ähnlich ausgeprägter Formen von Ackerboden und Feldsteinen ohne den Einsatz weiterer Sensoren ungeeignet. Am erfolgversprechendsten sei die Thermalbefliegung. Die Idee ist, dass Steine Wärme etwas anders abstrahlen als der sie umgebende Ackerboden. „Sie haben eine thermische Trägheit, das heißt, sie brauchen nach Sonnenuntergang länger, um abzukühlen“, erklärt Florian Thürkow. Die ersten Versuche seien bereits erfolgreich gewesen. Es gelte jetzt vor allem, den optimalen Zeitpunkt für die Befliegung herauszufinden, sowohl die Tageszeit auch die Jahreszeit. Dies testen die Forscher nicht nur direkt auf dem Feld, sondern auch im Labor. „Die Temperaturunterschiede zwischen Steinen und Ackerboden kann man simulieren, um so den optimalen Moment für die Befliegung herauszufinden“, so Florian Thürkow.

Mike Teucher (rechts) und Florian Thürkow am Rande der Befliegungskampagne in Mecklenburg-Vorpommern.
Mike Teucher (rechts) und Florian Thürkow am Rande der Befliegungskampagne in Mecklenburg-Vorpommern. (Foto: Detlef Thürkow)

„Letztendlich läuft es dann wahrscheinlich auf eine Kombination multispektraler Kameraaufnahmen mit Wärmebildern hinaus“, sagt Teucher. Das Problem dabei sei lediglich der unterschiedliche Bildausschnitt, das Wärmebild ist schlicht viel kleiner. Aufgabe des Projektteams ist es daher auch, eine Software zu entwickeln, die die Bilder synchronisieren kann. Unklar ist bislang noch, wie die Daten den Landwirten anschließend zur Verfügung gestellt werden sollen. Denkbar seien GPS-Koordinaten. „Das Problem dabei ist, dass die Landmaschinen alle unterschiedliche Systeme haben“, erklärt Detlef Thürkow. Alternativ könnten digitale Karten angeboten werden, auf denen die Stellen mit den meisten Steinen markiert sind. Zunächst soll ein Webservice entwickelt werden, über den die Daten von Drohnenflügen künftig zur Verfügung gestellt werden können. Vom Acker entfernt werden müssen die Steine allerdings weiterhin von Hand – aber dann gezielt. „Es erspart den Landwirten eine Menge Arbeit, wenn sie wissen, wo genau sie suchen müssen“, sagt Thürkow. Verschwinden werden die Steine im Übrigen so bald nicht, vor allem nicht im eiszeitlich geprägten Mecklenburg-Vorpommern. Durch das Pflügen und physikalische Prozesse im Boden – zum Beispiel Frostschub und Frostzug – kommen sie immer wieder an die Oberfläche.

Das System, das das Projektteam entwickelt, soll perspektivisch ausgebaut werden. „Steine sind nur ein Beispiel, man könnte die Methode auch zum Auffinden anderer Objekte nutzen“, sagt Teucher – beispielsweise für Schädlingsbefall, wie Nager oder invasive Pflanzen. Auch dazu haben die Forscher bereits erste, vielversprechende Ansätze entwickelt.

AgriSens DEMMIN 4.0: Koordination auch in Halle

Das Forschungsprojekt „AgriSens DEMMIN 4.0 - Fernerkundungstechnologien für die Digitalisierung im Pflanzenbau“ wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft für drei Jahre mit insgesamt 3,7 Millionen Euro gefördert. Stellvertretender Koordinator und Sprecher des Gesamtprojekts ist Prof. Dr. Christopher Conrad, der seit 2019 die Professur für Geoökologie am Institut für Geowissenschaften und Geographie an der Uni Halle innehat. Unter seiner Leitung steht in AgriSens Demmin 4.0 auch die Forschung in einem weiteren Teilprojekt, das sich mit der besseren Planung von Bewässerungsstrategien befasst. Der hallesche Part wird mit rund 330.000 Euro gefördert. Insgesamt sind acht Projektpartner an den Forschungen beteiligt, die Haupt-Koordination liegt beim Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) Potsdam.

 

Ein Video der Arbeit der halleschen Forscher im Projekt Steinerfassung ist hier zu finden: https://insitu.geo.uni-halle.de/news/steineerfassung

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